Local Heroes

Vom Rand in die Mitte

Der Verein VIVA Randerscheinungen feiert im Oktober sein zehnjähriges Jubiläum mit einer opulenten Bühnenshow. Das Thema: Die Überwindung von Ausgrenzung. Die Beteiligten: Divers. Wir haben mit drei Landsbergerinnen gesprochen, die das Gemeinschaftsprojekt extrem wichtig finden.
Debora Stölzle, Rebecca Winter und Stefanie Hofknecht bei den Proben zur Jubiläumsproduktion „Mondlicht“.

Wo sind eigentlich all die ungewöhnlichen Menschen in Landsberg? Die nicht Mainstreamigen? Die knutschenden Jungs? Die Männer in Frauenkleidern? Die Mädchen, die Mädchen lieben? Der genderfluide Mensch? All die queeren Menschen, gleich welcher sexuellen oder sonstigen Orientierung? Und wo sind all diejenigen mit Lern- oder anderweitigen Behinderungen, die nicht im normalen Arbeitsalltag integriert sind? Warum sieht man diese Menschen in unserer ländlichen und kleinstädtischen Umgebung nicht? Gehen sie nicht aus? Trauen sie sich nicht raus? Oder gibt es sie gar nicht?

Viele Fragen. Eine Antwort: Es gibt sie. Und es gibt einen geschützten Raum, wo sie sich treffen, sich entdecken und ausprobieren. Wo sie so sein können, wie sie wollen oder auch anders. Wo sie niemand verurteilt oder auch nur schräg anguckt, weil sie nicht dem Bild des, ja, langweiligen Durchschnittslandsbergers entsprechen. Der Raum hat einen Namen: Randerscheinungen.

Vor genau zehn Jahren, 2012, traten zwei junge Männer an, die Landsberger Kulturszene mit queeren Inhalten aufzumischen. Aus eigenen traumatischen Erfahrungen in der Jugend und einem schwierigen Coming-Out als schwuler Mann, haben Maximilian Huber und Julian Pietsch das „Projekt Randerscheinungen e.V.“ gegründet.

Nach außen tritt der Verein in den folgenden Jahren mit vielen selbstgeschriebenen Theaterstücken in Erscheinung – von satirisch bis trashig, von okkult-schräg bis artistisch-musicalmäßig. Zudem organisieren sie Kunstaustellungen und Workshops zu gesellschaftlichen Außenseiterthemen. Zwei Dinge sind der Gruppe mit einer großen Portion Hartnäckigkeit, Kreativität und Mut gelungen: Sie haben ihre Themen konsequent an die Kleinstadt-Öffentlichkeit gebracht. Und noch viel wichtiger, aber von kaum jemandem wahrgenommen: Sie bieten im Hintergrund und zwischen all den Theaterstücken denjenigen Menschen Raum und Gestaltungsmöglichkeit, die sich bislang nicht an die Öffentlichkeit getraut haben, aus welchen Gründen auch immer.
„Randerscheinungen sind ein soziokulturelles Projekt“, sagt Max Huber dazu, „es geht überhaupt nicht um Leistung, um ein ,gutes´ oder ,anspruchsvolles´ Theaterstück beispielsweise, sondern es geht uns um Diversität. Bei uns kann jeder und jede mitmachen, es geht uns um Inklusion, also um die Beteiligung von Menschen, die sonst nur schwer Zugang zu diesen Dingen hätten und es geht uns um Partizipation, alle dürfen mitbestimmen.“ Kurz: „Es geht um Empowerment.“

In der Öffentlichkeit werden meist nur die professionellen Mitglieder der Gruppe wahrgenommen, wie der Musical-Darsteller Emanuel Kasprowicz oder die Tänzerin und Choreografin Lydia Liedl. BERTL hat mit drei Landsberginnen gesprochen, denen die Mitarbeit am neuen Jubiläumsstück „Mondlicht“ nicht nur Selbstbewusstsein, sondern auch Bestätigung gegeben und neue Freundschaften gebracht hat.

Abgefahrene Kostüme garantiert! Die Aufführungen von Randerscheinungen sind in der Regel opulent, queer und farbenfroh.
Hier Emanuel Kasprowicz auf dem Plakat zur Ankündigung der Jubiläumsshow „Mondlicht“.

Debora: In andere Rollen schlüpfen

Debora Stölzle, 28, arbeitet im Montagebereichder Behindertenwerkstatt von IWL.
Ihre Betreuerin bei der Lebenshilfe hat sie auf Randerscheinungen aufmerksam gemacht.

„Es macht mir total Spaß, in andere Rollen hereinzuschlüpfen und eigene Dinge zu entwickeln. Beim Hörspielprojekt habe ich zum Beispiel eigene Texte eingesprochen. Ich fühle mich in der Gruppe total geborgen, hier ist egal, wie ich aussehe oder was ich kann. In der Schule und im Alltag habe ich mich oft ausgegrenzt und ausgenutzt gefühlt. Durch Randerscheinungen fühle ich mich viel mutiger und traue mir mehr zu. Und ich habe viele tolle Menschen hier kennengelernt. Auf der Bühne stehen, das macht mir echt Spaß. Ich kann nur allen sagen, kommt ins Theater, es wird toll.“

Stefanie: Raus aus der Komfortzone
Stefanie Hofknecht, 36, ist Lehrerin an Berufsschule FFB.

„Ich habe eine große Sehnsucht in mir, mich künstlerisch auszuprobieren. Ich singe, tanze und schreibe selbst, aber der Schritt auf die Bühne des Stadttheaters ist für mich neu und aufregend. Hier bei Randerscheinungen muss ich aus meiner Komfortzone raus, das ist gut. Hier gibt es so viele tolerante, geduldige, inspirierende Menschen, die mich tief berühren. Man spürt deutlich, wie hier Werte wie Achtsamkeit, Respekt, Zusammenhalt, Geduld und Toleranz gelebt werden. Ich finde es auch gut, dass Randerscheinungen so mutig und stark und auch provokant auftritt. Die Managementtrainerin Vera Birkenbihl hat ihr Lebensziel mal so formuliert: „Ich möchte meine Anlagen stärken und meine Talente ausbauen und möchte anderen Menschen dabei helfen, das auch zu tun, sofern sie das wollen.“ Und genau das machen Max und Randerscheinungen extrem gut. Die sind wirklich ein Geschenk!“

Rebecca: Der Sprung ins kalte Wasser
Rebecca Winter, 35, ist Sängerin, Vocal Coach, Komponistin und Tontechnikern.
Sie begleitet als professionelle Trainerin bereits zum zweiten Mal eine der Aufführungen von Randerscheinungen.

„Musik und Tanz bringt uns alle zusammen und wenn ich als Tontechnikerin und Musikerin mit eigenen Kompositionen und Gesang dieses Projekt unterstützen kann, mache ich das sehr gerne. Zudem war die Arbeit mit den Teilnehmenden im Studio extrem bereichernd, es war unglaublich zu beobachten, wie nach kurzer Zeit ein großes Vertrauen in der Gruppe zu spüren war. Gesang ist etwas sehr Persönliches und die Situation vor einem Mikrofon war für alle Teilnehmenden neu, dennoch war jeder bereit, ins kalte Wasser zu springen, neue Emotionen zuzulassen und zu vertrauen, dass gemeinsam etwas Tolles entsteht. ,Mondlicht´ nimmt uns alle auf eine großartige Reise mit, auf der die Angst vor Ausgrenzung und Ablehnung in den Hintergrund tritt und Verständnis, Fürsorge, Zusammenhalt und Toleranz spürbar werden.“

Text: Silke-Katinka Feltes

Local Heroes

Vom Rand in die Mitte

Der Verein VIVA Randerscheinungen feiert im Oktober sein zehnjähriges Jubiläum mit einer opulenten Bühnenshow. Das Thema: Die Überwindung von Ausgrenzung. Die Beteiligten: Divers. Wir haben mit drei Landsbergerinnen gesprochen, die das Gemeinschaftsprojekt extrem wichtig finden.
Debora Stölzle, Rebecca Winter und Stefanie Hofknecht bei den Proben zur Jubiläumsproduktion „Mondlicht“.

Wo sind eigentlich all die ungewöhnlichen Menschen in Landsberg? Die nicht Mainstreamigen? Die knutschenden Jungs? Die Männer in Frauenkleidern? Die Mädchen, die Mädchen lieben? Der genderfluide Mensch? All die queeren Menschen, gleich welcher sexuellen oder sonstigen Orientierung? Und wo sind all diejenigen mit Lern- oder anderweitigen Behinderungen, die nicht im normalen Arbeitsalltag integriert sind? Warum sieht man diese Menschen in unserer ländlichen und kleinstädtischen Umgebung nicht? Gehen sie nicht aus? Trauen sie sich nicht raus? Oder gibt es sie gar nicht?

Viele Fragen. Eine Antwort: Es gibt sie. Und es gibt einen geschützten Raum, wo sie sich treffen, sich entdecken und ausprobieren. Wo sie so sein können, wie sie wollen oder auch anders. Wo sie niemand verurteilt oder auch nur schräg anguckt, weil sie nicht dem Bild des, ja, langweiligen Durchschnittslandsbergers entsprechen. Der Raum hat einen Namen: Randerscheinungen.

Vor genau zehn Jahren, 2012, traten zwei junge Männer an, die Landsberger Kulturszene mit queeren Inhalten aufzumischen. Aus eigenen traumatischen Erfahrungen in der Jugend und einem schwierigen Coming-Out als schwuler Mann, haben Maximilian Huber und Julian Pietsch das „Projekt Randerscheinungen e.V.“ gegründet.

Nach außen tritt der Verein in den folgenden Jahren mit vielen selbstgeschriebenen Theaterstücken in Erscheinung – von satirisch bis trashig, von okkult-schräg bis artistisch-musicalmäßig. Zudem organisieren sie Kunstaustellungen und Workshops zu gesellschaftlichen Außenseiterthemen. Zwei Dinge sind der Gruppe mit einer großen Portion Hartnäckigkeit, Kreativität und Mut gelungen: Sie haben ihre Themen konsequent an die Kleinstadt-Öffentlichkeit gebracht. Und noch viel wichtiger, aber von kaum jemandem wahrgenommen: Sie bieten im Hintergrund und zwischen all den Theaterstücken denjenigen Menschen Raum und Gestaltungsmöglichkeit, die sich bislang nicht an die Öffentlichkeit getraut haben, aus welchen Gründen auch immer.
„Randerscheinungen sind ein soziokulturelles Projekt“, sagt Max Huber dazu, „es geht überhaupt nicht um Leistung, um ein ,gutes´ oder ,anspruchsvolles´ Theaterstück beispielsweise, sondern es geht uns um Diversität. Bei uns kann jeder und jede mitmachen, es geht uns um Inklusion, also um die Beteiligung von Menschen, die sonst nur schwer Zugang zu diesen Dingen hätten und es geht uns um Partizipation, alle dürfen mitbestimmen.“ Kurz: „Es geht um Empowerment.“

In der Öffentlichkeit werden meist nur die professionellen Mitglieder der Gruppe wahrgenommen, wie der Musical-Darsteller Emanuel Kasprowicz oder die Tänzerin und Choreografin Lydia Liedl. BERTL hat mit drei Landsberginnen gesprochen, denen die Mitarbeit am neuen Jubiläumsstück „Mondlicht“ nicht nur Selbstbewusstsein, sondern auch Bestätigung gegeben und neue Freundschaften gebracht hat.

Abgefahrene Kostüme garantiert! Die Aufführungen von Randerscheinungen sind in der Regel opulent, queer und farbenfroh.
Hier Emanuel Kasprowicz auf dem Plakat zur Ankündigung der Jubiläumsshow „Mondlicht“.

Debora: In andere Rollen schlüpfen

Debora Stölzle, 28, arbeitet im Montagebereichder Behindertenwerkstatt von IWL.
Ihre Betreuerin bei der Lebenshilfe hat sie auf Randerscheinungen aufmerksam gemacht.

„Es macht mir total Spaß, in andere Rollen hereinzuschlüpfen und eigene Dinge zu entwickeln. Beim Hörspielprojekt habe ich zum Beispiel eigene Texte eingesprochen. Ich fühle mich in der Gruppe total geborgen, hier ist egal, wie ich aussehe oder was ich kann. In der Schule und im Alltag habe ich mich oft ausgegrenzt und ausgenutzt gefühlt. Durch Randerscheinungen fühle ich mich viel mutiger und traue mir mehr zu. Und ich habe viele tolle Menschen hier kennengelernt. Auf der Bühne stehen, das macht mir echt Spaß. Ich kann nur allen sagen, kommt ins Theater, es wird toll.“

Stefanie: Raus aus der Komfortzone
Stefanie Hofknecht, 36, ist Lehrerin an Berufsschule FFB.

„Ich habe eine große Sehnsucht in mir, mich künstlerisch auszuprobieren. Ich singe, tanze und schreibe selbst, aber der Schritt auf die Bühne des Stadttheaters ist für mich neu und aufregend. Hier bei Randerscheinungen muss ich aus meiner Komfortzone raus, das ist gut. Hier gibt es so viele tolerante, geduldige, inspirierende Menschen, die mich tief berühren. Man spürt deutlich, wie hier Werte wie Achtsamkeit, Respekt, Zusammenhalt, Geduld und Toleranz gelebt werden. Ich finde es auch gut, dass Randerscheinungen so mutig und stark und auch provokant auftritt. Die Managementtrainerin Vera Birkenbihl hat ihr Lebensziel mal so formuliert: „Ich möchte meine Anlagen stärken und meine Talente ausbauen und möchte anderen Menschen dabei helfen, das auch zu tun, sofern sie das wollen.“ Und genau das machen Max und Randerscheinungen extrem gut. Die sind wirklich ein Geschenk!“

Rebecca: Der Sprung ins kalte Wasser
Rebecca Winter, 35, ist Sängerin, Vocal Coach, Komponistin und Tontechnikern.
Sie begleitet als professionelle Trainerin bereits zum zweiten Mal eine der Aufführungen von Randerscheinungen.

„Musik und Tanz bringt uns alle zusammen und wenn ich als Tontechnikerin und Musikerin mit eigenen Kompositionen und Gesang dieses Projekt unterstützen kann, mache ich das sehr gerne. Zudem war die Arbeit mit den Teilnehmenden im Studio extrem bereichernd, es war unglaublich zu beobachten, wie nach kurzer Zeit ein großes Vertrauen in der Gruppe zu spüren war. Gesang ist etwas sehr Persönliches und die Situation vor einem Mikrofon war für alle Teilnehmenden neu, dennoch war jeder bereit, ins kalte Wasser zu springen, neue Emotionen zuzulassen und zu vertrauen, dass gemeinsam etwas Tolles entsteht. ,Mondlicht´ nimmt uns alle auf eine großartige Reise mit, auf der die Angst vor Ausgrenzung und Ablehnung in den Hintergrund tritt und Verständnis, Fürsorge, Zusammenhalt und Toleranz spürbar werden.“

Text: Silke-Katinka Feltes

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