Leben | Lust | Leidenschaft

Magst tanzen?

Ob Polka oder Zwiefacher, Volkstänze sind wieder im  Kommen. Kreisheimatpfleger Magnus Kaindl aus Dießen vermittelt dieses alte bairische Volkskulturgut auf moderne Art und Weise.

Der erste Tanz bedeutet volle Konzentration. Danach wird aus einem kleinen Grinsen schließlich ein Strahlen über das ganze Gesicht. Ein bisschen aus der Puste ist man schon. Und stolz, dass man sich getraut hat. Komm, noch eine Runde. Schritt, Schritt, Trippelschritt. Tanzen macht einfach Spaß. Sagt einer, der es wissen muss. Magnus Kaindl hat schon unzählige Menschen, alte und junge, im bairischen Volkstanz angeleitet. Der studierte Archäologe (Schwerpunkt Prähistorik) ist hauptberuflich Teamleiter im Fachbereich Volkskultur im Münchner Kulturreferat (die einzige Stadt […] [mit] derartige[m] Fachbereich), dazu ehrenamtlicher Kreisheimatpfleger (Fachbereich Brauch- und Volksmusikpflege) im Landkreis Landsberg und eben Tanzlehrer für Tänze mit so merkwürdigen Namen wie Landler, Zwiefacher und Hirtamadl. 

Während in den 70er und 80er Jahren alles Volkstümliche als eher out, angestaubt, ja sogar als reaktionär galt, ist mit der Renaissance der Tracht seit Anfang der 2000er Jahre neuer frischer Wind in die Szene gekommen. Auf die Wiesn ohne Tracht? Geht gar nicht. Doch wer kann heute noch Schuhplattlern oder den rhythmisch etwas anspruchsvolleren Zwiefachen tanzen? Der Dießener Magnus Kaindl ist quasi im Trachtenverein groß geworden. Jodeln, Hackbrettspielen, Polka, Dreher, Burschenplattler, der 43-jährige ist in allen Bereichen der Volkskultur zuhause. Dass es dabei heute durchaus modern, offen und lustig zugeht, ist Kaindl ein großes Anliegen.

„Volkstanz wird heutzutage eher liberal interpretiert. Es gibt keine Damenwahl mehr, jeder darf mit jedem tanzen, auch Männer mit Männern, da ist nichts mehr dogmatisch, das ist mir auch ein persönliches Anliegen. Wichtig ist nur, sich darüber klar zu sein, wer führt und wer folgt, sonst kommt man durcheinander.“

Wie sieht das Ganze nun praktisch aus? Zum Beispiel im April bei Kaindls nächstem öffentlichen Tanzkurs im wiedereröffneten Happerger in Ludenhausen. Dazu nochmal Magnus Kaindl: „Getanzt wird generell immer zu Livemusik. Das kann eine einzige Ziach sein, eine steierische Harmonika. Oder wie jetzt im Happerger eine ganze Tanzkapelle. Generell sind meine Kurse immer kostenlos, jede und jeder kann vorbeischauen, ohne Anmeldung, ohne Vorkenntnisse. Es funktioniert learning by doing, einmal zeigen, einfach mitmachen und schon klappt’s. Bei mir ist noch jeder lachend nach Hause gegangen.“ 

Es gibt sogenannte Rundtänze wie die Polka, den Dreher oder den Zwiefachen und dann einfache Figurentänze wie die „schöne Marie“, das „Bauernmadl“ oder Kaindls Lieblingstanz, das „Schwarzwaldmädel“. Einfache Melodien mit simplen, banalen Texten, die man heutzutage mit einem Augenzwinkern sehen sollte. „Volksmusik und -tanz war nie starr, sondern hat Einflüsse von überall her aufgenommen und weiterverarbeitet. Die choreografierten Schuhplattler hat man ursprünglich eher für die Touristen ins Repertoire aufgenommen. Gerade im musikalischen Bereich gibt es seit den 2000er Jahren oft einen Stilmix und eine Öffnung für andere Musikrichtungen. In München haben wir zum Beispiel schon Volkstanz und Swing musikalisch und tänzerisch kombiniert.“

Wer jetzt Lust bekommen hat auf ein Tänzchen: Der nächste Tanzkurs mit Tanzmeister Magnus Kaindl ist am 15. und 22. April im Ludenhausener Happerger zur Vorbereitung auf den großen Volkstanzabend ebendort am 27. April. Kontakt zu Magnus Kaindl und weitere  Termine unter:
www.landkreis-landsberg.de/brauch-und-volksmusikpflege.

 

Bekannte Volkstänze

Schuhplattler 

Ein Tanz aus dem Alpenraum, der sich durch charakteristische Handschläge auf Oberschenkel und Schuhe auszeichnet. Er ist aus dem Ländler entstanden. Im Laufe seiner Geschichte war der Schuhplattler Gegenstand gewichtiger Transformationen: Aus dem mit regionalen Unterschieden in relativ freien Formen dargebotenen Einzelpaartanz, bei dem der Bursche das mit ihm tanzende Mädchen umwarb, wurde in der heutigen Praxis ein meist zu Schauzwecken aufgeführter, weitgehend standardisierter Gruppenpaartanz.

Landler (auch Ländler)

Ein Volkstanz von meist mäßig geschwinder Bewegung und heiterem Charakter, häufig mit Armfiguren. Meist wird er als Paartanz getanzt, es gibt aber auch Gruppentänze. Der Ländler war bis zum 19. Jahrhundert vielerorts der wichtigste und gebräuchlichste Tanz. Der Rhythmus des Tanzes steht meist im 3⁄4-Takt. Die Tanzschritte zum Landler werden häufig improvisiert, begleitet wird das Tanzen häufig von Gstanzl-Singen, Jodeln, Klatschen oder Stampfen. Dabei führen die Paare Tanzfiguren aus, die auch komplizierter sein können. 

Dreher

Es handelt sich um einen sehr schnell gedrehten Paartanz. Mit zwei Schritten vollzieht das Paar eine komplette Drehung. Um der hohen Fliehkraft entgegenzuwirken, wird der Dreher nicht in normaler Tanzhaltung getanzt, die Dame legt ihre Hände um den Nacken des Herrn, sodass sie sich besser festhalten kann, der Herr fasst die Dame mit beiden Händen um den Rücken.

Zwiefacher 

Der Zwiefache ist eine typisch bayerisch-böhmische Musikgattung, die musiziert, getanzt und gesungen wird. Seine Besonderheit besteht im unregelmäßigen Wechsel zwischen Dreivierteltakt und Zweivierteltakt. Tänzerisch entspricht dem Wechsel zwischen 3/4- und 2/4-Takt ein Abwechseln zwischen Walzerschritten und Dreherschritten, seltener auch Polkaschritten (Wechselschritten). Der Zwiefache ist gegenwärtig über ganz Bayern und darüber hinaus äußerst populär und wird sowohl in der traditionellen Volksmusik als auch im Bereich musikalischer Mischformen praktiziert. Der Zwiefache wurde 2016 von der UNESCO mit dem Titel „Immaterielles Kulturerbe“ ausgezeichnet.

Magnus Kaindl ist Kreisheimatpfleger, Experte für Volkskultur und begnadeter Tanzmeister. Bei ihm darf es auch locker, ohne Tracht und vor allem lustig zugehen.

Bayerisch oder bairisch: Was ist richtig? Beides! Die Schreibweise mit „y“ meint den geografischen und politischen Raum, also alles, was sich auf das Bundesland Bayern bezieht. „Bairisch“ wird benutzt, sobald der Sprachraum gemeint ist, also das Dialektgebiet, das neben Bayern und Österreich (außer Vorarlberg) auch Südtirol umfasst.

Text: Silke-Katinka Feltes | Fotos: Kulturreferat München
Leben | Lust | Leidenschaft

Magst tanzen?

Ob Polka oder Zwiefacher, Volkstänze sind wieder im  Kommen. Kreisheimatpfleger Magnus Kaindl aus Dießen vermittelt dieses alte bairische Volkskulturgut auf moderne Art und Weise.

Der erste Tanz bedeutet volle Konzentration. Danach wird aus einem kleinen Grinsen schließlich ein Strahlen über das ganze Gesicht. Ein bisschen aus der Puste ist man schon. Und stolz, dass man sich getraut hat. Komm, noch eine Runde. Schritt, Schritt, Trippelschritt. Tanzen macht einfach Spaß. Sagt einer, der es wissen muss. Magnus Kaindl hat schon unzählige Menschen, alte und junge, im bairischen Volkstanz angeleitet. Der studierte Archäologe (Schwerpunkt Prähistorik) ist hauptberuflich Teamleiter im Fachbereich Volkskultur im Münchner Kulturreferat (die einzige Stadt […] [mit] derartige[m] Fachbereich), dazu ehrenamtlicher Kreisheimatpfleger (Fachbereich Brauch- und Volksmusikpflege) im Landkreis Landsberg und eben Tanzlehrer für Tänze mit so merkwürdigen Namen wie Landler, Zwiefacher und Hirtamadl. 

Während in den 70er und 80er Jahren alles Volkstümliche als eher out, angestaubt, ja sogar als reaktionär galt, ist mit der Renaissance der Tracht seit Anfang der 2000er Jahre neuer frischer Wind in die Szene gekommen. Auf die Wiesn ohne Tracht? Geht gar nicht. Doch wer kann heute noch Schuhplattlern oder den rhythmisch etwas anspruchsvolleren Zwiefachen tanzen? Der Dießener Magnus Kaindl ist quasi im Trachtenverein groß geworden. Jodeln, Hackbrettspielen, Polka, Dreher, Burschenplattler, der 43-jährige ist in allen Bereichen der Volkskultur zuhause. Dass es dabei heute durchaus modern, offen und lustig zugeht, ist Kaindl ein großes Anliegen.

„Volkstanz wird heutzutage eher liberal interpretiert. Es gibt keine Damenwahl mehr, jeder darf mit jedem tanzen, auch Männer mit Männern, da ist nichts mehr dogmatisch, das ist mir auch ein persönliches Anliegen. Wichtig ist nur, sich darüber klar zu sein, wer führt und wer folgt, sonst kommt man durcheinander.“

Wie sieht das Ganze nun praktisch aus? Zum Beispiel im April bei Kaindls nächstem öffentlichen Tanzkurs im wiedereröffneten Happerger in Ludenhausen. Dazu nochmal Magnus Kaindl: „Getanzt wird generell immer zu Livemusik. Das kann eine einzige Ziach sein, eine steierische Harmonika. Oder wie jetzt im Happerger eine ganze Tanzkapelle. Generell sind meine Kurse immer kostenlos, jede und jeder kann vorbeischauen, ohne Anmeldung, ohne Vorkenntnisse. Es funktioniert learning by doing, einmal zeigen, einfach mitmachen und schon klappt’s. Bei mir ist noch jeder lachend nach Hause gegangen.“ 

Es gibt sogenannte Rundtänze wie die Polka, den Dreher oder den Zwiefachen und dann einfache Figurentänze wie die „schöne Marie“, das „Bauernmadl“ oder Kaindls Lieblingstanz, das „Schwarzwaldmädel“. Einfache Melodien mit simplen, banalen Texten, die man heutzutage mit einem Augenzwinkern sehen sollte. „Volksmusik und -tanz war nie starr, sondern hat Einflüsse von überall her aufgenommen und weiterverarbeitet. Die choreografierten Schuhplattler hat man ursprünglich eher für die Touristen ins Repertoire aufgenommen. Gerade im musikalischen Bereich gibt es seit den 2000er Jahren oft einen Stilmix und eine Öffnung für andere Musikrichtungen. In München haben wir zum Beispiel schon Volkstanz und Swing musikalisch und tänzerisch kombiniert.“

Wer jetzt Lust bekommen hat auf ein Tänzchen: Der nächste Tanzkurs mit Tanzmeister Magnus Kaindl ist am 15. und 22. April im Ludenhausener Happerger zur Vorbereitung auf den großen Volkstanzabend ebendort am 27. April. Kontakt zu Magnus Kaindl und weitere  Termine unter:
www.landkreis-landsberg.de/brauch-und-volksmusikpflege.

 

Bekannte Volkstänze

Schuhplattler 

Ein Tanz aus dem Alpenraum, der sich durch charakteristische Handschläge auf Oberschenkel und Schuhe auszeichnet. Er ist aus dem Ländler entstanden. Im Laufe seiner Geschichte war der Schuhplattler Gegenstand gewichtiger Transformationen: Aus dem mit regionalen Unterschieden in relativ freien Formen dargebotenen Einzelpaartanz, bei dem der Bursche das mit ihm tanzende Mädchen umwarb, wurde in der heutigen Praxis ein meist zu Schauzwecken aufgeführter, weitgehend standardisierter Gruppenpaartanz.

Landler (auch Ländler)

Ein Volkstanz von meist mäßig geschwinder Bewegung und heiterem Charakter, häufig mit Armfiguren. Meist wird er als Paartanz getanzt, es gibt aber auch Gruppentänze. Der Ländler war bis zum 19. Jahrhundert vielerorts der wichtigste und gebräuchlichste Tanz. Der Rhythmus des Tanzes steht meist im 3⁄4-Takt. Die Tanzschritte zum Landler werden häufig improvisiert, begleitet wird das Tanzen häufig von Gstanzl-Singen, Jodeln, Klatschen oder Stampfen. Dabei führen die Paare Tanzfiguren aus, die auch komplizierter sein können. 

Dreher

Es handelt sich um einen sehr schnell gedrehten Paartanz. Mit zwei Schritten vollzieht das Paar eine komplette Drehung. Um der hohen Fliehkraft entgegenzuwirken, wird der Dreher nicht in normaler Tanzhaltung getanzt, die Dame legt ihre Hände um den Nacken des Herrn, sodass sie sich besser festhalten kann, der Herr fasst die Dame mit beiden Händen um den Rücken.

Zwiefacher 

Der Zwiefache ist eine typisch bayerisch-böhmische Musikgattung, die musiziert, getanzt und gesungen wird. Seine Besonderheit besteht im unregelmäßigen Wechsel zwischen Dreivierteltakt und Zweivierteltakt. Tänzerisch entspricht dem Wechsel zwischen 3/4- und 2/4-Takt ein Abwechseln zwischen Walzerschritten und Dreherschritten, seltener auch Polkaschritten (Wechselschritten). Der Zwiefache ist gegenwärtig über ganz Bayern und darüber hinaus äußerst populär und wird sowohl in der traditionellen Volksmusik als auch im Bereich musikalischer Mischformen praktiziert. Der Zwiefache wurde 2016 von der UNESCO mit dem Titel „Immaterielles Kulturerbe“ ausgezeichnet.

Magnus Kaindl ist Kreisheimatpfleger, Experte für Volkskultur und begnadeter Tanzmeister. Bei ihm darf es auch locker, ohne Tracht und vor allem lustig zugehen.

Bayerisch oder bairisch: Was ist richtig? Beides! Die Schreibweise mit „y“ meint den geografischen und politischen Raum, also alles, was sich auf das Bundesland Bayern bezieht. „Bairisch“ wird benutzt, sobald der Sprachraum gemeint ist, also das Dialektgebiet, das neben Bayern und Österreich (außer Vorarlberg) auch Südtirol umfasst.

Text: Silke-Katinka Feltes | Fotos: Kulturreferat München

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