
Istanbul-Konvention
Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, auch bekannt als Istanbul-Konvention, ist ein 2011 ausgearbeiteter völkerrechtlicher Vertrag. Es schafft verbindliche Rechtsnormen gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt. Dazu gehören Opferschutz, Prävention und Strafverfolgung sowie die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter in den Verfassungen und Rechtssystemen. Die Istanbul-Konvention trat am 1. August 2014 in Kraft.
Wir brauchen ein Frauenhaus, weil …
Gewalt gegen Frauen? Doch nicht bei uns im schönen Landkreis Landsberg! Sollte man meinen. Stimmt aber nicht. Gewalt gegen Frauen findet oft hinter verschlossenen Türen statt. Auch bei uns. Deshalb fordern viele einen Schutzort für betroffene Frauen und Kinder. Ein Frauenhaus muss her! Wir haben Mitglieder des „Initiativkreis Frauenhaus Landsberg“ gefragt, warum das so wichtig ist.

… ich als langjährige klinische Tanztherapeutin und Sozialpädagogin in der Beratungsstelle für psychische Gesundheit (Caritas), die immensen Folgen von Gewalt auf die Psyche und den Körper kenne. Laut Polizeistatistik wurden 2022 bei uns im Landkreis 349 Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt an Frauen gemeldet, davon 1 Femizid. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs! Das Dunkelfeld von Fällen, die nie zur Anzeige kommen, ist viel höher. Wir brauchen dringend öffentliche Unterstützung. Als Stadträtin in einer Stadt mit fast 30.000 und einem Landkreis mit ca. 120.000 Einwohner:innen sehe ich es als meine Pflicht, mich für das Schließen dieser erheblichen Schutzlücke im Landkreis zu engagieren.
Heidi Reiser, Vorstands-Vorsitzende des Initiativkreis Frauenhaus Landsberg, klinische Tanztherapeutin und Sozialpädagogin, Stadträtin Landsberg
… Frauen, die von Gewalt bedroht werden, in erster Linie Sicherheit brauchen. Für betroffene Kinder ist es wichtig, dass sie in ihrem gewohnten Schul- und Freundesumfeld bleiben können und nicht, weil das nächste Frauenhaus erst in Augsburg zu finden ist, die Schule wechseln müssen. Ein lokales Frauenhaus schafft eine wichtige Anlaufstelle, die familiäre Bindungen bewahrt und einen sicheren Rückzugsort bietet.
Daniela Groß, Politikerin (Die Grünen), Stadt- und Kreisrätin Landsberg Vorstand Initiativkreis Frauenhaus Landsberg


… wir ein Umdenken nur erreichen, wenn wir auf die Gewalt gegen Frauen
immer wieder aufmerksam machen. Wir brauchen einen Schutzraum für
betroffene Frauen und ihre Kinder – und das vor Ort.
Barbara Juchem, Stadt- und Kreisrätin Landsberg
… ich als Frauenärztin die Gewalt, die Männer Frauen an Körper und Seele zufügen, „hautnah“ sehe und behandele. Unsere Gesellschaft duldet diese geschlechtsspezifische Gewalt, weil sie in der Regel unsichtbar ist. Jeden Tag, Stunde, Minute werden überall in Deutschland Frauen Opfer von männlicher Gewalt. Unser Landkreis muss sich der Tatsache stellen, dass wir hier vor Ort genauso betroffen sind. Als Antwort darauf muss es sichtbare und ausreichende Angebote geben: Schutzräume, Beratungsstellen, eine geschulte Polizei – und ein Frauenhaus.
Liane Bissinger, Frauenärztin und Ärztin für Naturheilverfahren, Expertin für Frauen in der Prostitution. Vorstand im KOFRA Frauenzentrum München, Vorstand des Initiativkreis Frauenhaus Landsberg


Tina Steiger, Journalistin und Referentin, Gründungsmitglied #DieNächste, Vorstand Initiativkreis Frauenhaus Landsberg
… ein Frauenhaus im Landkreis die Gewalt auch symbolisch sichtbar macht. Betroffene trauen sich nur selten, offen Hilfe zu suchen, unter anderem, weil die Gesellschaft sie als Opfer, und nicht etwa die Täter, stigmatisiert. Ein eigenes Frauenhaus und niedrigschwellige Angebote bieten Frauen in Notsituationen Schutz und langfristig bessere Handlungsmöglichkeiten. Zusätzlich müssen wir das Thema Gewalt gegen Frauen aus der Tabuzone holen. Gewalt ist eine Straftat, keine Privatsache. Hier sind aktuelle Schulungen von Jugendamt, Polizei und familiengerichtlichen Verfahrensbeteiligten zum Thema Istanbul-Konvention, Gewaltschutz und Kinderschutz notwendig. Ich beschäftige mich mit dem Thema als Betroffene, Mutter und Expertin. Als ich mich 2020 mit meinen Kindern aus Gewalt befreite, gab es kaum Hilfsangebote und Schutz. Als Journalistin und Referentin setze ich mich inzwischen dafür ein, dass anderen Frauen und mitbetroffenen Kindern diese Hilfe nicht länger verwehrt bleibt.
… der Landkreis Landsberg kein weißer Fleck auf der Landkarte häuslicher Gewalt ist. Auch bei uns findet Gewalt, sowohl physisch als auch psychisch statt, wie die Kriminalstatistik belegt. Frauen und Kinder sind die Opfer dieser Taten. Schon vor 30 Jahren habe ich mit einigen Frauen aus dem Landkreis Landsberg den Verein „Frauen helfen Frauen“ gegründet. Ziel war es, Konfliktwohnungen und einen Notruf im Landkreis zu etablieren. Der Landkreis unter Landrat Erwin Filser hat zwei Konfliktwohnungen für Frauen in Not bereitgestellt, und wir haben ein Notruftelefon eingerichtet. Leider haben wir die geforderte finanzielle Unterstützung des Landkreises nicht bekommen, um das Telefon mit Fachkräften zu besetzen. Das Notruftelefon wurde im Landratsamt unter der Leiterin der Gleichstellungsstelle eingerichtet. Der Verein hat sich aufgelöst. Nachdem die Leiterin der Gleichstellungsstelle für den Landkreis in den Ruhestand ging, wurde die Stelle nicht nachbesetzt. Landsberg war einer von zwei Landkreisen in Bayern, in denen diese Stelle nicht besetzt war. Da ich Kreisrätin bin, habe ich immer wieder darauf hingewiesen und Anträge zur Nachbesetzung gestellt. 2023 ist es dann gelungen, diese Stelle wieder zu etablieren. Der Landkreis hat vor einigen Jahren mit dem Anschluss an das Frauenhaus Augsburg zwei Plätze gesichert und finanziert diese mit einem finanziellen Zuschuss.

Hannelore Baur, Kreisrätin Landsberg am Lech, Vorstand Initiativkreis Frauenhaus Landsberg
Leider ist das Frauenhaus immer voll. Für Frauen im Landkreis ist es zudem eine große Hemmschwelle den Landkreis zu verlassen, denn oft sind auch Kinder, die hier ihr soziales Umfeld haben, mitbetroffen. Deshalb versuche ich schon seit längerer Zeit mit Margit Däubler und Edgar Gingelmaier die Schaffung eines Frauenhauses im Landkreis Landsberg zu verwirklichen. Ich hoffe, dass uns dies mit unserem Förderverein gelingt. Wir geben nicht auf, bis wir unser Ziel verwirklicht haben. Deshalb mein Aufruf an alle, Mitglied zu werden und den Verein zu unterstützen.

… Frauen, die Gewalt erfahren haben, verlässliche Hilfe vor Ort rund um die Uhr brauchen. Dazu gehören ein niedrigschwelliger Zugang zu Schutz und Hilfe, eine exzellente Beratung, auch für deren Kinder. Für ein Leben ohne Angst.
Edgar Gingelmaier, Außenstellenleiter WEISSER RING e.V., Vorstand Initiativkreis Frauenhaus Landsberg
…die Zahl der Betroffenen von geschlechtsspezifischer Gewalt deutlich angestiegen ist. Wir brauchen im Landkreis tragfähige Strukturen für von Gewalt betroffene Frauen mit ihren Kindern. Das große Ziel des Initiativkreises ist es, ein Frauenhaus im Landkreis Landsberg umzusetzen. Der Landkreis als zuständige Kommune ist in der Verpflichtung seine Verantwortung, wie in der Istanbul-Konvention vereinbart, zu übernehmen.
Margit Däubler, 1. Vorstands-Vorsitzende des Initiativkreis Landsberg am Lech, Stadträtin Landsberg

Der BR berichtet über das neue Frauenhaus in Landsberg:
www.br.de/nachrichten/bayern/mehr-schutz-vor-gewalt-neues-frauenhaus-in-landsberg-am-lech