Auf Wellen reiten, die unendliche Freiheit spüren, sich treiben lassen: Was Surfer weltweit
fasziniert, geht Wakesurfern nicht anders. Wakesurfen? Noch nie gehört?
Eine junge Frau aus Inning erzählt über den recht unbekannten Wassersport.

Fragt man Eva Briegel von der Popband Juli nach der perfekten Welle, dann ist das eine, die dich leicht fühlen lässt, dich einfach trägt. Eine, die viel mehr ein Lebensgefühl ist, eine Weltanschauung, die man nur dann teilen und nachvollziehen kann, wenn man selbst schon mal eine Welle geritten ist. Genauso sieht das eine junge Frau aus Inning. Tara Kriz liebt und lebt das Wakesurfen. Aber nicht nur das. Die 20-Jährige konnte bereits einige internationale Titel mit nach Deutschland bringen.
Beim Wakesurfen handelt es sich um eine Variante des Surfens. Allerdings sind Wakesurfer:innen auf Seen unterwegs statt auf dem Meer. Anders als bei anderen Surfarten ist die perfekte Bedingung eine spiegelglatte Wasseroberfläche. Denn ge(wake)surft wird auf einer Welle, die ein vorausfahrendes Boot hinter sich lässt. Idealerweise ist sie bis zu neun Meter lang und 1,20 Meter hoch. Zusätzlicher Ballast auf dem Boot kann die Welle zu einer „perfekten“ formen. Befindet sich auf dem Boot zum Beispiel vorne mehr Gewicht, so wird die Welle länger. Eher hinten, so wird sie steiler. Seitlich, so wird sie runder. Anfangs verbindet Boot und Wakesurferin noch eine Leine. Sobald das Boot langsam anfährt, geht die Leine auf Spannung. In diesem Moment macht man sich klein, die Arme lang, die Beine angewinkelt. Ist erst der Punkt gefunden, wo die Welle einen von alleine schiebt, braucht man die Leine nicht mehr und wirft sie weg. Nun surft man auf einer unendlich langen Welle und hat unterm Strich unendlich viel Zeit zum Trainieren, erklärt Tara.
Laut Tara gibt es den Sport noch nicht besonders lange. Bekannter sei nach wie vor das Wakeboarden. Quasi Wakesurfen, nur mit dem Unterschied, dass man die Leine nicht loslässt und an dieser über das Wasser gezogen wird. Tatsächlich waren das auch Taras Anfänge. Eines Tages mietete ihr Vater während eines Campingurlaubs in Kroatien ein Boot. Aus Spaß hat sich die Familie auf allen möglichen Gegenständen hinterher ziehen lassen. So wurde aus einem Luftkissen irgendwann ein Wakesurfboard.
Als sie das erste Mal gewakesurft ist, war sie etwa zehn Jahre alt. Aus reinem Vergnügen und ohne der Intention irgendwann an Wettkämpfen teilzunehmen. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Im Jahr 2017 fand in Österreich ihr erster Wettkampf statt. Eigentlich war sie nur bei Verwandten zu Besuch. Doch für den Wettbewerb fehlten noch Teilnehmerinnen. Ohne jegliche Vorbereitung hat sie die Chance genutzt sich mit anderen, älteren Wakesurferinnen zu messen. Eine Junioren-Kategorie gab es nämlich aufgrund fehlender Teilnehmerinnen auch nicht. Tara wurde Zweite. Wie kann man sich so einen Wettkampf vorstellen? Es gibt eine Strecke, die von zwei Bojen markiert wird. Zwischen den Bojen läuft die Zeit. Meist ist das eine Minute und 20 Sekunden. Währenddessen wird ein Trick nach dem anderen präsentiert. Und diese werden bepunktet. Eine Kombination aus mehreren Tricks gibt besonders viele Punkte. Zwei Mal darf ins Wasser gefallen und neu gestartet werden. Ab dem dritten Mal ist man disqualifiziert. „Air to 360“ ist ein Sprung der direkt in die Drehung geht und ein Trick, auf den sich Tara immer verlassen kann. Dies bewies sie vergangenen November in Hongkong. Hier trat sie als Teil des deutschen Kaders bei der Weltmeisterschaft an. Insgesamt sechs Wakesurfer:innen wurden vom Deutschen Wassersport Verbund auserwählt und gefördert.
Für die Weltmeisterschaft in Hongkong gab es zunächst eine Qualifikationsrunde. Immer fünf Personen wurden dafür in eine Gruppe eingeteilt. Die drei besten kamen eine Runde weiter. „Als ich gesehen habe, neben welchen Leuten ich starte, dachte ich mir, wie cool es ist, dabei zu sein. Das hat mir schon gereicht. Ich habe mir keinen Druck gemacht. Und ich glaube, dass war letztendlich mein Vorteil“, erinnert sich Tara. Offensichtlich. Denn als einzige Amateurin qualifizierte sie sich für das große Finale und belegte letztendlich den Sechsten Platz.
Aber dabei blieb es nicht. Mit dem Erfolg der Weltmeisterschaft sicherte sich das deutsche Team zwei Plätze für die diesjährigen World Games in China (Chengdu). Und Tara bekommt einen davon. Alle vier Jahre messen sich die besten Athlet:innen in insgesamt 35 Sportarten bei der Multisportveranstaltung. Heuer das erste Mal eben auch im Wakesurfen. Nun, zurück in Deutschland, freut sich Tara auf wärmere Tage und die damit verbundene neue Saison. Wakesurfen macht so viel Spaß, sagt sie, das wird schnell zur Sucht. Nach einer Stunde Üben könne jeder und jede bereits auf dem Brett stehen. Ihr wichtigster Tipp: den Blick immer in Fahrtrichtung. „Man fährt dahin, wo man hinguckt“. Also Kopf hoch.
Tara Kriz, 20, macht zurzeit ihr Abi. Sie lebt mit ihrer Sportlerfamilie am Ammersee (die Nähe zum Wasser ist quasi selbstverständlich). Mutter Sonja Kriz ist staatlich geprüfte Yogalehrerin. Studio in Inning. Ebenfalls Surferin. Taras ältere Schwester Noemi studierte Sport-, Kultur- und Eventmanagement und ist aktuell für einen Monat zum Surfen in Sri Lanka. Vater Andy Schmahl ist seit Jahrzehnten begeisterter Windsurfer, Wellenreiter und in der (internationalen) Wakeboardszene (als Weltmeister) bekannt.
Er betreibt am Bodensee eine eigene Surfschule.
