Garten | Blumen | Wiese

Meine grüne Hölle

Ist der Platz auch noch so klein, garteln lässt sich überall, auch auf der kleinsten Terrasse in einem engen Hinterhof mitten in der Landsberger Altstadt. Letztlich, meint unsere Gartenkolumnistin, hilft Gärtnern vor allem bei einem: Ruhe, Gelassenheit und Toleranz zu entwickeln. Von der Liebe und dem Frust, auf engstem Raum ein Paradies zu erschaffen. Teil 1 unserer neuen Gartenserie.
Text/Fotos: Susanne Greiner

Das Tor zum Paradies ist 120 auf 60 Zentimeter groß. Um durchzugehen, muss man klettern: das Bein 40 Zentimeter heben, auf den Sims treten, das andere Bein nachziehen und sich – Vorsicht, der Kopf! – schwungvoll ins Freie ziehen. Dort liegt meine Terrasse, mitten in der Landsberger Altstadt, ein Innenhof gen Westen. Mein Mann nennt sie die grüne Hölle.

Das meint er nicht böse. Aber manchmal würde er gerne den kleinen Tisch nutzen. Wenn denn Platz wäre. Jetzt im Mai ist die Terrasse noch übersichtlich. Soll er sich doch jetzt hinsetzen, denn bald, ganz bald wuchert hier ein Dschungel, auferstanden aus unzähligen Töpfen und Plastikwannen.

Ich liebe Erde. Buddeln, Graben, Matsch, trockene Hände und Fingernägel, die nie wieder sauber werden. Ich liebe auch meine Pflanzen: ein selbstgezogener Avocado-Baum begleitet mich seit 13 Jahren. Ein Fichtenspross aus dem Wald, jetzt in der Zinkwanne, dient als Weihnachtsbaum. Mein Olivenbaum hat meinen Scheitel erreicht. Und die Pinie aus original italienischem Pinienkern gedeiht prächtig. Dazu kommen eine Feige und noch nicht definierbare Obstbäumchen, entstanden aus zufällig gepflanzten Kernen.
Was die Pflanzen angeht, lautet meine Devise: ausprobieren. Wenn im März und April grüne Zipfel aus der Erde sprießen, habe ich oft keine Ahnung, was es ist. Vielleicht die Grapefruit? Wer sich nicht überraschen lassen will, greife zur App, zum Beispiel PlantNet: Pflanze fotografieren und zack, hat man den Namen.

Für viel Grün sorgen Salbeipflanzen, Minzvarianten und anderes Kräutergebüsch. Farbtupfen kommen mit Wildblumen. Jedes Jahr überraschen mich vergessene Traubenhyzinthen und Narzissen. Und eine Primel. Die hat mir meine Mutter vor Jahren geschenkt. Sie blüht immer wieder, egal wie kalt der Winter war.
Insekten sollen sich wohlfühlen (Tipp: Phacelia und kleinblättrige Bergminze sind ein Festmahl für Bienen und Hummeln). Ich sammele beim Spazieren Wildblumensamen: Königskerzen, Nelken, Wegwarte, Kamille. Meine Favoriten: Kornblume (die gibt’s auch in pink) und wilde Möhre. Jedes Jahr kommt ein Tütchen gekaufte Samen dazu. Die Samen meiner Terrassenwildblumen sammle ich und säe sie im Jahr drauf wieder aus. Kapuzinerkresse braucht das nicht. Die überschwemmt ungefragt alles.

Jetzt im Mai startet die Hauptwachstumsphase. Meine Feige hat die schon hinter sich und verschafft Urwald-Feeling. In den zwei Gemüse-Pflanzwannen habe ich Anfang April – die Eisheiligen ignoriere ich seit Jahren mit Erfolg – die Böden gelockert, mit Eier-, Zwiebelschalen, Brennnesselsud und Kaffee gedüngt und danach gesät: Radieschen, Gurken, Zucchini, Bohnen. Daraus wird meistens nichts. Rosenkäferlarven und Mehltau gewinnen. Aber ich lasse mich nicht unterkriegen. Und ach, was blüht die Zucchini hübsch. Rhabarber kommt immer wieder, braucht nichts. Vor vier Jahren habe ich eine Kartoffel gepflanzt. Seither kann ich jedes Jahr
Erdäpfel ernten. Circa drei.

Meine Stauden habe ich im April bis zum verholzten Teil zurückgeschnitten, ebenso die Kräuter. Avocado, Zitrusfrüchte und Olive kämpfen noch mit der Sonne und verbrennen sich. Aber neue, resistente Blätter kommen schon nach. Die meiste Arbeit ist getan. Jetzt startet das süße Nichtstun – naja, fast.

In der nächsten Folge: Wie ich zur Leibeigenen meiner Tomaten wurde.

Wer braucht Urlaub? Ich habe meine Terrasse, die mich auf jedem Zentimeter und immer wieder zum Staunen bringt. Wenn ich nicht dort gärtnere/lese/sinniere/schlafe, bin ich Redakteurin beim Landsberger Kreisboten. Meine Themen: so ziemlich alles. Bevorzugt Kultur, Umwelt, gerne auch Lokalpolitik. Die ist fast so bunt wie meine Terrasse im Mai. Susanne Greiner

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Meine grüne Hölle

Ist der Platz auch noch so klein, garteln lässt sich überall, auch auf der kleinsten Terrasse in einem engen Hinterhof mitten in der Landsberger Altstadt. Letztlich, meint unsere Gartenkolumnistin, hilft Gärtnern vor allem bei einem: Ruhe, Gelassenheit und Toleranz zu entwickeln. Von der Liebe und dem Frust, auf engstem Raum ein Paradies zu erschaffen. Teil 1 unserer neuen Gartenserie.
Text/Fotos: Susanne Greiner

Das Tor zum Paradies ist 120 auf 60 Zentimeter groß. Um durchzugehen, muss man klettern: das Bein 40 Zentimeter heben, auf den Sims treten, das andere Bein nachziehen und sich – Vorsicht, der Kopf! – schwungvoll ins Freie ziehen. Dort liegt meine Terrasse, mitten in der Landsberger Altstadt, ein Innenhof gen Westen. Mein Mann nennt sie die grüne Hölle.

Das meint er nicht böse. Aber manchmal würde er gerne den kleinen Tisch nutzen. Wenn denn Platz wäre. Jetzt im Mai ist die Terrasse noch übersichtlich. Soll er sich doch jetzt hinsetzen, denn bald, ganz bald wuchert hier ein Dschungel, auferstanden aus unzähligen Töpfen und Plastikwannen.

Ich liebe Erde. Buddeln, Graben, Matsch, trockene Hände und Fingernägel, die nie wieder sauber werden. Ich liebe auch meine Pflanzen: ein selbstgezogener Avocado-Baum begleitet mich seit 13 Jahren. Ein Fichtenspross aus dem Wald, jetzt in der Zinkwanne, dient als Weihnachtsbaum. Mein Olivenbaum hat meinen Scheitel erreicht. Und die Pinie aus original italienischem Pinienkern gedeiht prächtig. Dazu kommen eine Feige und noch nicht definierbare Obstbäumchen, entstanden aus zufällig gepflanzten Kernen.
Was die Pflanzen angeht, lautet meine Devise: ausprobieren. Wenn im März und April grüne Zipfel aus der Erde sprießen, habe ich oft keine Ahnung, was es ist. Vielleicht die Grapefruit? Wer sich nicht überraschen lassen will, greife zur App, zum Beispiel PlantNet: Pflanze fotografieren und zack, hat man den Namen.

Für viel Grün sorgen Salbeipflanzen, Minzvarianten und anderes Kräutergebüsch. Farbtupfen kommen mit Wildblumen. Jedes Jahr überraschen mich vergessene Traubenhyzinthen und Narzissen. Und eine Primel. Die hat mir meine Mutter vor Jahren geschenkt. Sie blüht immer wieder, egal wie kalt der Winter war.
Insekten sollen sich wohlfühlen (Tipp: Phacelia und kleinblättrige Bergminze sind ein Festmahl für Bienen und Hummeln). Ich sammele beim Spazieren Wildblumensamen: Königskerzen, Nelken, Wegwarte, Kamille. Meine Favoriten: Kornblume (die gibt’s auch in pink) und wilde Möhre. Jedes Jahr kommt ein Tütchen gekaufte Samen dazu. Die Samen meiner Terrassenwildblumen sammle ich und säe sie im Jahr drauf wieder aus. Kapuzinerkresse braucht das nicht. Die überschwemmt ungefragt alles.

Jetzt im Mai startet die Hauptwachstumsphase. Meine Feige hat die schon hinter sich und verschafft Urwald-Feeling. In den zwei Gemüse-Pflanzwannen habe ich Anfang April – die Eisheiligen ignoriere ich seit Jahren mit Erfolg – die Böden gelockert, mit Eier-, Zwiebelschalen, Brennnesselsud und Kaffee gedüngt und danach gesät: Radieschen, Gurken, Zucchini, Bohnen. Daraus wird meistens nichts. Rosenkäferlarven und Mehltau gewinnen. Aber ich lasse mich nicht unterkriegen. Und ach, was blüht die Zucchini hübsch. Rhabarber kommt immer wieder, braucht nichts. Vor vier Jahren habe ich eine Kartoffel gepflanzt. Seither kann ich jedes Jahr
Erdäpfel ernten. Circa drei.

Meine Stauden habe ich im April bis zum verholzten Teil zurückgeschnitten, ebenso die Kräuter. Avocado, Zitrusfrüchte und Olive kämpfen noch mit der Sonne und verbrennen sich. Aber neue, resistente Blätter kommen schon nach. Die meiste Arbeit ist getan. Jetzt startet das süße Nichtstun – naja, fast.

In der nächsten Folge: Wie ich zur Leibeigenen meiner Tomaten wurde.

Wer braucht Urlaub? Ich habe meine Terrasse, die mich auf jedem Zentimeter und immer wieder zum Staunen bringt. Wenn ich nicht dort gärtnere/lese/sinniere/schlafe, bin ich Redakteurin beim Landsberger Kreisboten. Meine Themen: so ziemlich alles. Bevorzugt Kultur, Umwelt, gerne auch Lokalpolitik. Die ist fast so bunt wie meine Terrasse im Mai. Susanne Greiner

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