Vor genau hundert Jahren wurde Adolf Hitler frühzeitig aus der Festungshaft entlassen und unser aller Schicksal nahm seinen Lauf. Ein kurzer Rückblick auf die Zeit, die Hitler in Landsberg verbrachte.
20. Dezember 1924, 12.15 Uhr. Adolf Hitler, 34 Jahre alt, wird aus der Gefangenenanstalt Landsberg am Lech entlassen. Seit dem ersten April sitzt er in einem zur Festungshaft umgewidmeten Gebäudetrakt des 1908 errichteten Gefängnisses.
Obwohl der Hitler-Ludendorff-Putsch vom 8. und 9. November 1923 in München den juristischen Tatbestand des Hochverrats erfüllt, ist der Vorsitzende Richter Georg Neithardt dem Angeklagten aufgrund der eigenen antidemokratischen Einstellung wohlgesonnen und mildert das Urteil zur gesetzlichen Mindeststrafe von fünf Jahren Festungshaft ab.
Augenzeugen berichten von einem Prozess, der „inhaltlich einer völkischen Agitationsversammlung glich, bei dem es kein Verhör der Angeklagten gab und bei dem die rechtlichen Gesichtspunkte gänzlich von parteipolitischen Erörterungen überwuchert wurden.“
Festungshaft bedeutete übrigens: Es gab keinen Kontakt mit regulären Strafgefangenen. Die Zellen waren eher „Stuben“, also wohnlich eingerichtet. Im Tagesraum wurde am weiß gedeckten Tisch gemeinsam gespeist. Das Menü war dasselbe, das auch die Aufseher erhielten. Es wurde von Strafgefangenen aufgetragen, die auch die Zimmer reinigten.
Es gab geräumige Besprechungszimmer, im Bad eine Badewanne. Die „Ehrenhäftlinge“ wurde mit „Herr“ angesprochen und durften großzügige Geschenke von außen empfangen. Alles in allem eine Mischung aus Gefängnis und Hotel. Hitler selbst bezeichnete seine Haftzeit später als „Hochschule auf Staatskosten“. Hier schrieb er den ersten Teil seiner antisemitischen Hetzschrift „Mein Kampf“. Am 20. Dezember, nach nur rund acht Monaten, wird Hitler die Reststrafe von knapp 4 Jahren auf Bewährung erlassen. Die nationalsozialistische Propaganda hat die Festungshaft nach 1933 zur Legende stilisiert und die ehemalige Haftstube wurde zum Wallfahrtsort. (Nur zur Info: 1945 entfernten die amerikanischen Besatzungsmächte die Ausstattung der Zelle komplett. Der leere Raum dient heute in der Justizvollzugsanstalt Landsberg als Gemeinschaftsraum und ist für Touristen nicht zugänglich).
Im Jahr 1937 führt der „Adolf-Hitler-Bekenntnismarsch“ Tausende von Jugendlichen der Hitlerjugend aus ganz Deutschland zum Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg. Anschließend marschieren rund 1.800 von ihnen weiter nach Landsberg, wo sie am 19. September auf dem Hauptplatz ihre Abschlusskundgebung abhalten. Landsberg wird vom Reichsjugendführer zur „Stadt der Jugend“ erklärt. In der ehemaligen Zelle Hitlers erhalten die Hitlerjungen das Buch „Mein Kampf“. So geschehen in den Jahren 1937 und 1938. Im Jahr darauf überfällt das Deutsche Reich Polen.
Der Zweite Weltkrieg beginnt.
Bilder? Bilder!
Viel historisches Material aus der Zeit des Nationalsozialismus ist zum Ende des Zweiten Weltkrieges von den Nazis vernichtet worden. Kompromittierendes, belastendes, schwerwiegendes. Was übrig bleibt, ist meist Propagandamaterial sowie inszenierte Darstellungen von Hitlers Macht. Zu seiner Festungshaft in Landsberg gibt es beispielsweise nur gestellte Fotos. Der Fotograf Heinrich Hoffmann trat bereits 1920 in die NSDAP ein und gab früh eine antisemitische Zeitschrift heraus. Am Hitlerputsch 1923 nahm er als Bildberichterstatter teil und wurde bald darauf Hitlers Leibfotograf. Jedes Porträtbild Hitlers stammt von Hoffmann. Er hatte entscheidenden Anteil an der propagandistischen Inszenierung Hitlers. Die bekannten Fotos aus dem Gefängnis Landsberg, Hitler im Kreis seiner Anhänger, Hitler bei der Zeitungslektüre, Hitler nach seiner Entlassung mit geliehenem Mercedes vor dem Bayertor, sind Inszenierungen Hoffmanns.
Sind es nun dennoch Zeitzeugenfotos, die man abdrucken sollte? Oder stilisierte Fotos, die die Ikonisierung Hitlers bis in unsere Zeit befördern? Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Wir haben uns nach einigen Diskussionen entschieden, die Originalfotos nicht zu drucken, sondern stattdessen auf ein mit Unterstützung von KI generiertes Bild aus der hervorragenden Ausstellung „Das Labyrinth“ von Wolfgang Hauck und Edith Raim zurückzugreifen. Mehr Infos unter: https://daslabyrinth.org
Wer an den Originalfotos und ihrer historischen Einordnung interessiert ist, sollte sich im Kulturbüro der Stadt Landsberg die ausgezeichnete Broschüre (des Historikers Prof. Dr. Peter Fleischmann, herausgegeben von der Stadt Landsberg) „Hitler als Gefangener in Landsberg am Lech“ (1924/1924) besorgen, die begleitend zur Ausstellung vom Frühling 2024 erschien.