Local Heroes

Wenn Pferde flüstern

In unserem Landkreis leben faszinierende Menschen. Einer der bemerkenswertesten ist sicherlich Martin Schleske. Der Mann mit dem charakteristischen ledernen Käppi ist nicht nur ein weltbekannter Geigenbauer, in den letzten vier Jahren hat er sich zudem zum Pferdeflüsterer entwickelt. Vielleicht gibt es eine Verbindung zwischen den Geigen und den Pferden. Wer weiß?
Pferdeversteher und Geigenbauvirtuose: Für beides braucht es Sensibilität, Einfühlungsvermögen und eine kleine Portion Magie.

In Martin Schleskes Werkstatt wurden schon unzählige Geigen, Cellos und Bratschen gefertigt, außerdem hat er drei Bücher veröffentlicht. Sein Schaffen hat weltweit Anerkennung gefunden, von Zeitungsartikeln bis hin zu TV-Reportagen. Doch heute wollen wir uns seiner neuesten Leidenschaft widmen: den Pferden, die er als sein „ganz großes Lebensglück“ bezeichnet. „Hätte ich die Pferde früher entdeckt, wäre ich sicherlich kein Geigenbauer geworden, sondern Pferde-Osteopath. Jetzt bin ein Geigenbauer, der Pferde berührt.“

Berühren tut man mit Händen. Und diese Hände sind eines von zwei herausragenden Merkmalen des Martin Schleske. „Meine ganze Lebensenergie liegt in den Händen“, sagt er und weiter, „eigentlich bin ich zwei Hände mit einem Körper dran.“ Damit baut er die feinsten Geigen, damit spürt, heilt, kommuniziert er mit Pferden.

Was Schleske weiterhin auszeichnet, ist etwas, das wir mit Seele zusammenfassen möchten. Man könnte auch sagen: Hochsensibilität oder die Fähigkeit, sich absolut in etwas hinein versenken zu können. In den perfekten Klang ebenso wie in die Seele und Sprache der Pferde.

Ein brauner Araber namens Ataban

Die Geschichte beginnt 2019 in Freiburg. Martin Schleske besucht seine Schwester, eine Psychoanalytikerin. „Das Thema Pferde war schon früh von ihr belegt. Ich war für die Elektronik und die Rockband zuständig.“ Auf einer Koppel mit vier Pferden kommt es zu einem spirituellen Erweckungserlebnis, „einer Explosion der Liebe“. Martin setzt sich einfach auf die Weide und die Pferde umschließen ihn wie eine Art Tempel. Pferde lesen unsere Energie, davon ist er überzeugt, „sie haben ein Sinnesorgan, es ist nur noch nicht erforscht, das Energie wahrnehmen kann.“ Er ist überw.ltigt von der Schönheit, der Würde, der Anmut und der Erhabenheit der Pferde und „in mir entstand eine unfassbare Ehrfurcht vor der absoluten Ehrlichkeit dieser Wesen.“

Ataban, der Ranghöchste der Herde „hat mich bekehrt. Er hat mir offenbart, was es heißt, ein Pferd zu sein.“ Martin Schleske bleibt das ganze Wochenende auf der Koppel. Zurück in Landsberg beginnt er, reiten zu lernen. Doch Schleske wäre nicht Schleske, wenn es mit dem Lernen normal zugehen würde. Vielmehr stellt er sich oft mitten in die Herde und spürt einfach nur. Er nimmt das „Herden-Ich“ wahr, eine Art kollektiven Organismus. Er legt stundenlang die Hände auf eine Stute, die gemobbt wird und vergisst dabei Zeit und Raum. Danach trabt das Pferd erhobenen Hauptes zur Herde zurück und wird angenommen.

Wer mit Schleske über Pferde spricht, hört Worte wie Gotteserfahrung, beglückende Seelenkraft, Vollkommenheit, Magie. „Der Mensch hat durch die Arroganz seines Verstandes die Sprache der Seele verloren. Pferde können sie uns wieder lehren.“ Schleske kommuniziert mental mit den Pferden. Er, der Anfänger, galoppiert ohne Sattel und spürt eine vollkommene Einheit mit dem Pferd. Das Pferd weicht danach lange nicht von seiner Seite.

Damiano, der Ungestüme

Dann, im März dieses Jahres, kommt es in Bad Wörishofen zur ersten Begegnung mit Damiano. Das erst zweieinhalb Jahre alte Deutsche Sportpferd ist schlammbesudelt. Die beiden beginnen, ihre „Beziehung zu klären“, Martin putzt und spricht, Damiano beißt einmal rechts, einmal links in den Arm. Martin reagiert blitzschnell, dominant, aber niemals aggressiv. „Pferde testen uns. Sie lieben mentale Stärke“. Er spürt eine große Verbundenheit: „Mit mir ist etwas passiert, mit ihm auch.“ Er kann sich nicht losreißen und beginnt mit Bodenarbeit, obwohl er das noch nie gemacht hat. Er bewegt einen Fuß nach rechts, Damiano folgt. Es beginnt eine Art Tangotanz. „Absolut faszinierend“, sagt Schleske. Obwohl seine Reitlehrerin Nessi Reichert Damiano gezüchtet hat, um ihn als Reitpferd auszubilden, spürt auch sie in den nächsten Monaten, dieses Pferd und Martin Schleske gehören zusammen. Martin sagt: Damiano hat mich gefragt und ich habe Ja gesagt. Und so beginnt nach der ersten Verliebtheit der Beziehungsaufbau. Wieder Schleske: „Ich spüre Pferde wie eine Klangfarbe. Damiano ist eine unglaublich schön klingende, helle D-Seite. Sie will sich öffnen, traut sich aber noch nicht. Und dann gibt es da noch eine tiefe noch wenig ausgebildete G-Seite, die möchte ich ihm schenken. Er ist noch so jung, ich habe mir vorgenommen ihn ganz langsam auszubilden. Nicht in einem halben Jahr, in sechs Jahren, er soll Zeit haben.“

In der Landsberger Altstadt befindet sich Martin Schleskes stilvoll renovierte Geigenbau-Meisterwerkstatt.

Die Bratsche ist ein Kaltblut

Gefragt, ob seine neue Leidenschaft für Pferde seine Arbeit mit den Geigen beeinflusst habe, wird Martin Schleske kurz nachdenklich. Da ist zunächst Mal, so sagt er, diese unglaubliche Freude, dieses wahnsinnige Gespür in den Händen. „Wenn ich zwei Stunden mein Pferd massiert habe, dann sind meine Hände mit Energie aufgeladen. Wenn ich damit ans Holz gehe, das macht schon einen Unterschied.“ Dann: Genauso wie Pferde ihren ganz eigenen Charakter besitzen, können auch Geigen schüchtern, dominant oder auch mal eine Diva sein. Es gehe darum, den Klang eines Instruments zu erspüren, da sind die Ohren nur ein Teil von. Man muss in das Wesen einer Geige eintauchen, sie muss zum Wesen eines Menschen passen, zu der Art, wie er musiziert. Das ist ein mystischer, ja spiritueller Vorgang, sagt Schleske und Pferde seien da einfach ausgezeichnete Lehrer für diese Art der sinnlichen Kommunikation. Außerdem, so fügt er als letzten Punkt hinzu, sind seine Bratschen deutlich besser geworden. „Die Bratsche ist wie ein Kaltblüter, beide haben eine ungeheure Präsenz, sie füllen den Raum mit einer natürlichen, ruhigen Souveränität.“ Früher hat er eine Bratsche als eine große Geige gesehen. Erst durch die Arbeit mit den Pferden habe er ihr Wesen wirklich verstanden. Damiano „ist“ übrigens ein Cello. Ein großes Warmblut, der „Inbegriff von Eleganz, Erhabenheit, einfach wunderschön, schlank und edel.“ Heute sagt seine Reitlehrerin, Damiano habe sich total verändert, „der ist schon wie Martin“.

Fotos: Tobias Kreissl, BERTL Magazin
Local Heroes

Wenn Pferde flüstern

In unserem Landkreis leben faszinierende Menschen. Einer der bemerkenswertesten ist sicherlich Martin Schleske. Der Mann mit dem charakteristischen ledernen Käppi ist nicht nur ein weltbekannter Geigenbauer, in den letzten vier Jahren hat er sich zudem zum Pferdeflüsterer entwickelt. Vielleicht gibt es eine Verbindung zwischen den Geigen und den Pferden. Wer weiß?
Pferdeversteher und Geigenbauvirtuose: Für beides braucht es Sensibilität, Einfühlungsvermögen und eine kleine Portion Magie.

In Martin Schleskes Werkstatt wurden schon unzählige Geigen, Cellos und Bratschen gefertigt, außerdem hat er drei Bücher veröffentlicht. Sein Schaffen hat weltweit Anerkennung gefunden, von Zeitungsartikeln bis hin zu TV-Reportagen. Doch heute wollen wir uns seiner neuesten Leidenschaft widmen: den Pferden, die er als sein „ganz großes Lebensglück“ bezeichnet. „Hätte ich die Pferde früher entdeckt, wäre ich sicherlich kein Geigenbauer geworden, sondern Pferde-Osteopath. Jetzt bin ein Geigenbauer, der Pferde berührt.“

Berühren tut man mit Händen. Und diese Hände sind eines von zwei herausragenden Merkmalen des Martin Schleske. „Meine ganze Lebensenergie liegt in den Händen“, sagt er und weiter, „eigentlich bin ich zwei Hände mit einem Körper dran.“ Damit baut er die feinsten Geigen, damit spürt, heilt, kommuniziert er mit Pferden.

Was Schleske weiterhin auszeichnet, ist etwas, das wir mit Seele zusammenfassen möchten. Man könnte auch sagen: Hochsensibilität oder die Fähigkeit, sich absolut in etwas hinein versenken zu können. In den perfekten Klang ebenso wie in die Seele und Sprache der Pferde.

Ein brauner Araber namens Ataban

Die Geschichte beginnt 2019 in Freiburg. Martin Schleske besucht seine Schwester, eine Psychoanalytikerin. „Das Thema Pferde war schon früh von ihr belegt. Ich war für die Elektronik und die Rockband zuständig.“ Auf einer Koppel mit vier Pferden kommt es zu einem spirituellen Erweckungserlebnis, „einer Explosion der Liebe“. Martin setzt sich einfach auf die Weide und die Pferde umschließen ihn wie eine Art Tempel. Pferde lesen unsere Energie, davon ist er überzeugt, „sie haben ein Sinnesorgan, es ist nur noch nicht erforscht, das Energie wahrnehmen kann.“ Er ist überw.ltigt von der Schönheit, der Würde, der Anmut und der Erhabenheit der Pferde und „in mir entstand eine unfassbare Ehrfurcht vor der absoluten Ehrlichkeit dieser Wesen.“

Ataban, der Ranghöchste der Herde „hat mich bekehrt. Er hat mir offenbart, was es heißt, ein Pferd zu sein.“ Martin Schleske bleibt das ganze Wochenende auf der Koppel. Zurück in Landsberg beginnt er, reiten zu lernen. Doch Schleske wäre nicht Schleske, wenn es mit dem Lernen normal zugehen würde. Vielmehr stellt er sich oft mitten in die Herde und spürt einfach nur. Er nimmt das „Herden-Ich“ wahr, eine Art kollektiven Organismus. Er legt stundenlang die Hände auf eine Stute, die gemobbt wird und vergisst dabei Zeit und Raum. Danach trabt das Pferd erhobenen Hauptes zur Herde zurück und wird angenommen.

Wer mit Schleske über Pferde spricht, hört Worte wie Gotteserfahrung, beglückende Seelenkraft, Vollkommenheit, Magie. „Der Mensch hat durch die Arroganz seines Verstandes die Sprache der Seele verloren. Pferde können sie uns wieder lehren.“ Schleske kommuniziert mental mit den Pferden. Er, der Anfänger, galoppiert ohne Sattel und spürt eine vollkommene Einheit mit dem Pferd. Das Pferd weicht danach lange nicht von seiner Seite.

Damiano, der Ungestüme

Dann, im März dieses Jahres, kommt es in Bad Wörishofen zur ersten Begegnung mit Damiano. Das erst zweieinhalb Jahre alte Deutsche Sportpferd ist schlammbesudelt. Die beiden beginnen, ihre „Beziehung zu klären“, Martin putzt und spricht, Damiano beißt einmal rechts, einmal links in den Arm. Martin reagiert blitzschnell, dominant, aber niemals aggressiv. „Pferde testen uns. Sie lieben mentale Stärke“. Er spürt eine große Verbundenheit: „Mit mir ist etwas passiert, mit ihm auch.“ Er kann sich nicht losreißen und beginnt mit Bodenarbeit, obwohl er das noch nie gemacht hat. Er bewegt einen Fuß nach rechts, Damiano folgt. Es beginnt eine Art Tangotanz. „Absolut faszinierend“, sagt Schleske. Obwohl seine Reitlehrerin Nessi Reichert Damiano gezüchtet hat, um ihn als Reitpferd auszubilden, spürt auch sie in den nächsten Monaten, dieses Pferd und Martin Schleske gehören zusammen. Martin sagt: Damiano hat mich gefragt und ich habe Ja gesagt. Und so beginnt nach der ersten Verliebtheit der Beziehungsaufbau. Wieder Schleske: „Ich spüre Pferde wie eine Klangfarbe. Damiano ist eine unglaublich schön klingende, helle D-Seite. Sie will sich öffnen, traut sich aber noch nicht. Und dann gibt es da noch eine tiefe noch wenig ausgebildete G-Seite, die möchte ich ihm schenken. Er ist noch so jung, ich habe mir vorgenommen ihn ganz langsam auszubilden. Nicht in einem halben Jahr, in sechs Jahren, er soll Zeit haben.“

In der Landsberger Altstadt befindet sich Martin Schleskes stilvoll renovierte Geigenbau-Meisterwerkstatt.

Die Bratsche ist ein Kaltblut

Gefragt, ob seine neue Leidenschaft für Pferde seine Arbeit mit den Geigen beeinflusst habe, wird Martin Schleske kurz nachdenklich. Da ist zunächst Mal, so sagt er, diese unglaubliche Freude, dieses wahnsinnige Gespür in den Händen. „Wenn ich zwei Stunden mein Pferd massiert habe, dann sind meine Hände mit Energie aufgeladen. Wenn ich damit ans Holz gehe, das macht schon einen Unterschied.“ Dann: Genauso wie Pferde ihren ganz eigenen Charakter besitzen, können auch Geigen schüchtern, dominant oder auch mal eine Diva sein. Es gehe darum, den Klang eines Instruments zu erspüren, da sind die Ohren nur ein Teil von. Man muss in das Wesen einer Geige eintauchen, sie muss zum Wesen eines Menschen passen, zu der Art, wie er musiziert. Das ist ein mystischer, ja spiritueller Vorgang, sagt Schleske und Pferde seien da einfach ausgezeichnete Lehrer für diese Art der sinnlichen Kommunikation. Außerdem, so fügt er als letzten Punkt hinzu, sind seine Bratschen deutlich besser geworden. „Die Bratsche ist wie ein Kaltblüter, beide haben eine ungeheure Präsenz, sie füllen den Raum mit einer natürlichen, ruhigen Souveränität.“ Früher hat er eine Bratsche als eine große Geige gesehen. Erst durch die Arbeit mit den Pferden habe er ihr Wesen wirklich verstanden. Damiano „ist“ übrigens ein Cello. Ein großes Warmblut, der „Inbegriff von Eleganz, Erhabenheit, einfach wunderschön, schlank und edel.“ Heute sagt seine Reitlehrerin, Damiano habe sich total verändert, „der ist schon wie Martin“.

Fotos: Tobias Kreissl, BERTL Magazin

Weitere Beiträge

Wann wird’s mal wieder richtig Winter?
Das Erbe der Gwenddydd Herkomer