Leben | Lust | Leidenschaft

K wie Kaffee, Kuchen und Kiffen und V wie Vorsicht

Seit Ostermontag darf gekifft werden. Nicht jede:r, nicht überall, nicht große Mengen. It’s complicated. Aber immerhin, die Tendenz ist eindeutig: Cannabis soll gesellschaftlich aus der illegalen Ecke. Die einen sagen endlich. Ist Cannabis doch keinesfalls schädlicher als der gesellschaftlich akzeptierte Alkohol. Die anderen befürchten: Oh Gott, jetzt wird der Einstieg in die harte Drogenszene erleichtert. Wir haben mit einem Konsumenten und einer Präventionsberaterin gesprochen.

Samstags gibt es für Felix Kohlscheen drei Mal „K“. Das heißt: Kaffee, Kuchen, K(C)ola. Es ist sein Ritual. Seine „heilige K-Faltigkeit“. Bei Kaffee und Cola (diesmal ohne Kuchen) redet der 27-Jährige mit BERTL über ein weiteres „K“ in seinem Leben: das Kiffen.

Felix Kohlscheen ist Musiker. Seitdem er fünf Jahre alt ist, spielt er Gitarre. Später kamen der Bass und mit 17 Jahren das Klavier dazu. Nach und nach eignete er sich immer mehr Instrumente an. Und machte schließlich mit der Ausbildung zum Instrumenten-Verkäufer sein Hobby zum Beruf. „Musik ist mein Weg, meine Profession, meine Liebe. Meistens auch meine Rettung, um meine Gedanken zu ordnen. Musik ist das, womit ich mein Leben verbringen werde – zu hundert Prozent.“

Sein Lieblingsauftrittsort ist das Lech-Atelier, „das Landsberger Kultur-Paradies schlechthin“. Hier hat er Anfang des Jahres sein neues Album „Gedankenspiel“ mit insgesamt 14 Songs präsentiert, bevor es sieben Tage später offiziell veröffentlicht worden ist.

Kannst du dich an deinen ersten Joint erinnern?

Ja. Ich war 16 und es war an Fasching. Ein Freund hatte was dabei. Die erste Erfahrung war nicht so schön, ich war nicht bereit für den Rausch und hatte Angst, hängenzubleiben. Heute würde ich sagen, ein 16-jähriges Gehirn sollte nicht kiffen. Das befindet sich in der Entwicklung und da können schlimme Sachen passieren, wie Psychosen. Deswegen war dann lange Zeit bei mir erstmal Pause.

Wie kam es dazu, dass du es nochmal probiert hast?

Es war eine Art Gruppenzwang. Wenn der Joint durch die Runde geht und man als einziger sagt „hey, ich bin nicht dabei“, das wäre komisch gewesen. Zumindest für mein 16-jähriges Ich, das sich gerne in der Freundesgruppe profilieren wollte. Man will Neues ausprobieren. Zudem war ich nie ein Freund von Alkohol. Ich finde den Rausch von Alkohol unangenehm. Vielleicht habe ich deswegen damals eine Alternative gesucht.

Was ist denn deiner Meinung nach schädlicher, Alkohol oder Cannabis?

Ich glaube Alkohol. Ich bekomme als Musiker das Nachtleben hautnah mit. Ich weiß, wie Menschen sind, wenn sie alkoholisiert sind. Genauso weiß ich, wie Menschen sind, wenn sie bekifft sind. Ich sage immer: Ich habe lieber einen Raum mit hundert Bekifften vor mir als nur einen Betrunkenen. Weil sich zu viel Alkohol – gerade bei Männern – häufig in Aggressionen und sich profilieren müssen niederschlägt. Das gibt es bei Kiffern nicht. Wenn die dastehen, dann sind sie happy, vielleicht checken sie weniger, aber sie machen weniger Stress.

Aus welchem Grund rauchst du heute?

Um einen Fokus zu setzen – meistens in meiner musikalischen Arbeit. Heißt nicht, dass ich damit kreativer bin, sondern eher, dass ich meine Gedanken besser auf das Wesentliche lenken kann.

Gibt es Personen, denen du vom Kiffen abraten würdest?

Menschen, die psychisch labil sind. Zum Beispiel die Gattung der „Overthinker“, ich nenne die Menschen so, die immer über alles brutal nachdenken müssen. Oder wenn ein Mensch mit sich nicht im Reinen ist, sich nicht mag. Auch bei Depressionen ist es keine gute Idee. Cannabis ist ein Stimmungsmultiplikator. Wenn ich traurig bin und rauche, dann bin ich danach noch trauriger und denke mir: oh mein Gott, jetzt muss ich einen ganz traurigen Song schreiben, weil ich voll drin bin.

Weißt du, wo man ab dem 1. Juli hier im Landkreis legal Cannabis kaufen kann?

Nö. Das ist eh Schwachsinn. Das Gesetz, das entwickelt wurde, ist schön und gut. Aber es ist das beste Beispiel dafür, dass es Leute beschlossen haben, die nicht selbst rauchen. Gerade die Anbauvereinigungen haben nur eine bestimmte Kapazität. Es gibt eine Maximalgrenze an Mitgliedern und Pflanzen. Und es gibt Leute, die Angst haben, sich registrieren zu lassen.

Baust du selbst an?

Ja. Mittlerweile habe ich zwei Pflanzen auf meinem Balkon stehen. Das sind wirklich ganz ansehnliche Exemplare geworden. Später rupft man die ganze Pflanze ab und trocknet sie. Irgendwann kann man sie dann rauchen. Am besten nur die Blüten, weil die Blätter nicht viel Wirkung hergeben.

Ohne Namen zu nennen, kannst du die Drogenszene im Landkreis beschreiben?

Leider zu vielfältig. Bei Marihuana ist es so, dass es sich durch alle Altersgruppen und Berufe zieht. Ich kenne Leute, die sind über 70 und rauchen regelmäßig Gras. Ich kenne Künstler, die rauchen. Ich kenne Bänker, die rauchen. Ich kenne Lehrer, die rauchen. Wenn es im Landkreis nur bei grünen Sachen bleiben würde, wäre alles schön und gut. Es sind aber so viele andere Substanzen im Umlauf und hier liegt das Hauptproblem. Gerade Kokain, Speed und Ketamin wird von 16- bis 30-Jährigen viel konsumiert. Vor allem Elektro- und Techno-Partys sind leider Synonyme für diese schwierigen Drogen.

Befürchtest du eine Konsum-Welle durch die Legalisierung?

Ich denke, es bleibt gleich. Es ist ja nicht so, dass auf einmal alle Leute kiffen wollen. Nein. Die Leute, die schon immer gerne geraucht haben, werden es weiter praktizieren. Es ist jetzt nur angenehmer geworden. Man kann sich einfach an den Fluss setzen und draußen, wie andere Leute ihr Bier trinken, schön bei Sonnenschein einen Joint rauchen. Ohne dass die Polizei von hinten auf die Schulter tippt und sagt: Entschuldigung, was haben sie denn da? Früher hat man sich ständig umgucken müssen.

Was liebst du am Kiffen?

Ich mag den Geschmack von Tabak und von Marihuana. Es schmeckt mir. Ich bin gerne Raucher. Bei mir ist es sehr mit meinem Kopf verbunden. Wenn ich ausgeglichen sein möchte, dann kann ich das sein, und mit Marihuana geht das eben ein bisschen besser.

Was magst du an Marihuana nicht?

Eigentlich nur, dass man sich immer Gedanken darüber machen muss, ob es in Ordnung ist, was man da raucht. Wenn es nur saubere Drogen gäbe, hätte man dieses Problem nicht. Im Landkreis Landsberg wurde zum Beispiel illegal Gras verkauft, worauf die Leute richtig schlecht reagiert haben. Es wurde mit HHC versetzt, das ist künstliches THC, damit es noch higher macht. Freunde von mir haben zwei Züge genommen und dann Herzklopfen bekommen. So etwas hasse ich am Kiffen. Dass man sich nicht drauf verlassen kann, dass das, was man raucht, in Ordnung ist und keine Probleme nach sich zieht.

Gehört Kiffen und Musik für dich zusammen?

Nein, Kunst und Drogen gehören nicht zusammen. Viele Künstler denken: oh mein Gott, ich bin so high, das muss ich in meiner Kunst offenbaren. Und flüchten sich dann in irgendwelche Parallelwelten. Ich rauche einfach gerne Gras – abends ist das voll schön. Das hat aber nicht wirklich Einfluss auf meine Persönlichkeit. Ich bleibe immer noch derselbe Felix und bin in beiden Zuständen gerne. Es ist einfach ein Genussmittel.

Informationen zu den Regelungen des seit 1. April beziehungsweise seit 1. Juli (für die „Anbauvereinigungen“) geltenden Gesetzes findet man auf den offiziellen Seiten der Bundes- bzw. der Bayerischen Landesregierung:

Auf der – von einem anonymen Software-Programmierer entwickelten und auf den Geodaten von OpenStreetMap basierenden – Bubatzkarte werden für ganz Deutschland all jene Stadtgebiete, in denen das öffentliche Kiffen problematisch werden könnte, rot markiert. In Landsberg dürfte man zum Beispiel im vorderen Bereich des Englischen Gartens ebenso wie im vorderen Bereich der St.Laurant-du-Var-Promenade kiffen. Selbstverständlich auch im Lech-Atelier, in Utting im Polizeibad und auf dem Steg am öffentlichen Bad des Campingplatzes. Das Strandbad Forster in Schondorf ist ebenfalls nicht rot markiert. Genauso wie die Gegend um den Seekiosk und den Dampfersteg in Dießen. Wer es genau wissen will, schaut hier:
www.bubatzkarte.de

Text & Foto: Sandy Kesner

V wie Vorsicht

Esther Schulte ist Kunsttherapeutin und arbeitet seit über sechs Jahren für MobiDIG. Das Suchtpräventionsprogramm des Landkreises Landsberg gibt es bereits seit 20 Jahren

Ein Team aus Sozialpädagog:innen, Ergotherapeut:innen, Erzieherinnen und anderen Professionen bietet altersspezifische Beratung für die Schulklassen 1 bis 10, für Berufsschulen sowie für Vereine. Jeweils zwei Berater:innen kommen – wenn sie angefragt werden – für vier Stunden in eine Klasse. Ganz wichtig, sagt Esther Schulte, ist eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit: Es sind keine Lehrkräfte anwesend und „was im Raum besprochen wird, bleibt im Raum.“

Suchtberatung schon in der ersten Klasse? Ist das nicht ein bisschen früh?

Ganz im Gegenteil! Das ist ein unfassbar wichtiges Thema. In den ersten beiden Klassen geht es allerdings noch nicht um konkrete Süchte, sondern vielmehr um Ressourcenstärkung. Es geht um Körperwahrnehmung und um die Entwicklung von Selbst-Bewusstsein. Darum, herauszufinden, was man mag und was nicht, was einem guttut und was nicht. Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass jeder okay ist, so wie er oder sie ist. Das sind ganz wichtige Eigenschaften, um später gestärkt möglichen Versuchungen gegenüberzutreten.
Erst ab der dritten Klasse geht es ganz allmählich und vorsichtig um die Auseinandersetzung mit Suchtverhalten zum Beispiel in Bezug auf den Medienkonsum. Wir klären generelle Fragen, wie: Was ist Sucht überhaupt, wie wird man süchtig und wie schütze ich mich.

Und wie wird man süchtig?

Da gibt es zum Beispiel ein neues Computerspiel, das ich ausprobieren will. Es macht Spaß und ich genieße die Ablenkung. Dann habe ich vielleicht einen schlechten Tag in der Schule, habe eine schlechte Note bekommen oder mich mit meinem Freund gestritten. Also denke ich mir, zocke ich mal eine Runde, um runterzukommen. Das Spiel wird jetzt zu einem bestimmen Zweck gebraucht. Das ist der erste Schritt. Der nächste ist dann schon der Missbrauch und die Sucht: Ich bekomme zu wenig Schlaf, ich vernachlässige meine Freunde und schon ist die rote Linie überschritten und es ist schwierig, alleine davon wieder loszukommen.

Wie schütze ich mich denn davor, süchtig zu werden?

In den unteren Klassen finden wir beispielsweise mithilfe von Spielen heraus, was alles Schlimmes im Leben passieren könnte. Dem stellen wir mögliche Ressourcen gegenüber: Eltern, Freunde, der eigene Hund. Wichtig ist zum Beispiel aber auch eine gute Klassengemeinschaft. Offenheit, Vertrauen und die Möglichkeit, nicht immer cool sein zu müssen, sich auch mal schwach zeigen zu dürfen. Den anderen akzeptieren, wie er oder sie ist, mit allen Eigenarten. Hinschauen, wenn es jemandem nicht gut geht. Das sind alles Fähigkeiten, die man erst lernen muss.

Letztendlich geht es um den Aufbau von starken sozialen Beziehungen, um gesunde Hobbys, darum gute Methoden im Umgang mit Stress und negativen Emotionen zu finden genauso wie darum Grenzen zu setzen und Nein-Sagen zu lernen. Und natürlich darum die Gefahren und Konsequenzen von Suchtmitteln zu kennen, also um altersgerechte Bildung. Denn alleine schon das Wissen um die Droge und ihre Konsequenzen bedeutet ein Stück Macht gegen die Sucht.

Was hälst du von der Cannabis Legalisierung?

Ein schwieriges Thema. Fest steht: die Gehirnentwicklung ist erst mit 25 Jahren abgeschlossen und die heutigen Cannabis-Produkte haben einen derart hohen THC-Gehalt, das ist wahnsinnig ungesund. Die Gefahr von Psychosen steigt mit dem THC-Gehalt und mit sinkendem Einstiegsalter.

MobiDIG ist eine Abkürzung für „Mobil – Drogen – Information – Gespräche“. Zunächst wurde das vor mehr als 20 Jahren initiierte Suchttpräventionsprogramm vom Jugendamt betreut, seit sieben Jahren ist das Gesundheitsamt im Landratsamt Landsberg zuständig. Für die Klassen 1 bis 10 gibt es ein jeweils altersgerecht zugeschnittenes Programm, das von jeder Schule angefragt werden kann. Es entstehen keine Kosten.

Mehr Informationen unter: www.soziales-gesundheit-landkreis-landsberg.de/suchtpraevention/mobidig

Text: Silke-Katinka Feltes | Foto: Privat
Leben | Lust | Leidenschaft

K wie Kaffee, Kuchen und Kiffen und V wie Vorsicht

Seit Ostermontag darf gekifft werden. Nicht jede:r, nicht überall, nicht große Mengen. It’s complicated. Aber immerhin, die Tendenz ist eindeutig: Cannabis soll gesellschaftlich aus der illegalen Ecke. Die einen sagen endlich. Ist Cannabis doch keinesfalls schädlicher als der gesellschaftlich akzeptierte Alkohol. Die anderen befürchten: Oh Gott, jetzt wird der Einstieg in die harte Drogenszene erleichtert. Wir haben mit einem Konsumenten und einer Präventionsberaterin gesprochen.

Samstags gibt es für Felix Kohlscheen drei Mal „K“. Das heißt: Kaffee, Kuchen, K(C)ola. Es ist sein Ritual. Seine „heilige K-Faltigkeit“. Bei Kaffee und Cola (diesmal ohne Kuchen) redet der 27-Jährige mit BERTL über ein weiteres „K“ in seinem Leben: das Kiffen.

Felix Kohlscheen ist Musiker. Seitdem er fünf Jahre alt ist, spielt er Gitarre. Später kamen der Bass und mit 17 Jahren das Klavier dazu. Nach und nach eignete er sich immer mehr Instrumente an. Und machte schließlich mit der Ausbildung zum Instrumenten-Verkäufer sein Hobby zum Beruf. „Musik ist mein Weg, meine Profession, meine Liebe. Meistens auch meine Rettung, um meine Gedanken zu ordnen. Musik ist das, womit ich mein Leben verbringen werde – zu hundert Prozent.“

Sein Lieblingsauftrittsort ist das Lech-Atelier, „das Landsberger Kultur-Paradies schlechthin“. Hier hat er Anfang des Jahres sein neues Album „Gedankenspiel“ mit insgesamt 14 Songs präsentiert, bevor es sieben Tage später offiziell veröffentlicht worden ist.

Kannst du dich an deinen ersten Joint erinnern?

Ja. Ich war 16 und es war an Fasching. Ein Freund hatte was dabei. Die erste Erfahrung war nicht so schön, ich war nicht bereit für den Rausch und hatte Angst, hängenzubleiben. Heute würde ich sagen, ein 16-jähriges Gehirn sollte nicht kiffen. Das befindet sich in der Entwicklung und da können schlimme Sachen passieren, wie Psychosen. Deswegen war dann lange Zeit bei mir erstmal Pause.

Wie kam es dazu, dass du es nochmal probiert hast?

Es war eine Art Gruppenzwang. Wenn der Joint durch die Runde geht und man als einziger sagt „hey, ich bin nicht dabei“, das wäre komisch gewesen. Zumindest für mein 16-jähriges Ich, das sich gerne in der Freundesgruppe profilieren wollte. Man will Neues ausprobieren. Zudem war ich nie ein Freund von Alkohol. Ich finde den Rausch von Alkohol unangenehm. Vielleicht habe ich deswegen damals eine Alternative gesucht.

Was ist denn deiner Meinung nach schädlicher, Alkohol oder Cannabis?

Ich glaube Alkohol. Ich bekomme als Musiker das Nachtleben hautnah mit. Ich weiß, wie Menschen sind, wenn sie alkoholisiert sind. Genauso weiß ich, wie Menschen sind, wenn sie bekifft sind. Ich sage immer: Ich habe lieber einen Raum mit hundert Bekifften vor mir als nur einen Betrunkenen. Weil sich zu viel Alkohol – gerade bei Männern – häufig in Aggressionen und sich profilieren müssen niederschlägt. Das gibt es bei Kiffern nicht. Wenn die dastehen, dann sind sie happy, vielleicht checken sie weniger, aber sie machen weniger Stress.

Aus welchem Grund rauchst du heute?

Um einen Fokus zu setzen – meistens in meiner musikalischen Arbeit. Heißt nicht, dass ich damit kreativer bin, sondern eher, dass ich meine Gedanken besser auf das Wesentliche lenken kann.

Gibt es Personen, denen du vom Kiffen abraten würdest?

Menschen, die psychisch labil sind. Zum Beispiel die Gattung der „Overthinker“, ich nenne die Menschen so, die immer über alles brutal nachdenken müssen. Oder wenn ein Mensch mit sich nicht im Reinen ist, sich nicht mag. Auch bei Depressionen ist es keine gute Idee. Cannabis ist ein Stimmungsmultiplikator. Wenn ich traurig bin und rauche, dann bin ich danach noch trauriger und denke mir: oh mein Gott, jetzt muss ich einen ganz traurigen Song schreiben, weil ich voll drin bin.

Weißt du, wo man ab dem 1. Juli hier im Landkreis legal Cannabis kaufen kann?

Nö. Das ist eh Schwachsinn. Das Gesetz, das entwickelt wurde, ist schön und gut. Aber es ist das beste Beispiel dafür, dass es Leute beschlossen haben, die nicht selbst rauchen. Gerade die Anbauvereinigungen haben nur eine bestimmte Kapazität. Es gibt eine Maximalgrenze an Mitgliedern und Pflanzen. Und es gibt Leute, die Angst haben, sich registrieren zu lassen.

Baust du selbst an?

Ja. Mittlerweile habe ich zwei Pflanzen auf meinem Balkon stehen. Das sind wirklich ganz ansehnliche Exemplare geworden. Später rupft man die ganze Pflanze ab und trocknet sie. Irgendwann kann man sie dann rauchen. Am besten nur die Blüten, weil die Blätter nicht viel Wirkung hergeben.

Ohne Namen zu nennen, kannst du die Drogenszene im Landkreis beschreiben?

Leider zu vielfältig. Bei Marihuana ist es so, dass es sich durch alle Altersgruppen und Berufe zieht. Ich kenne Leute, die sind über 70 und rauchen regelmäßig Gras. Ich kenne Künstler, die rauchen. Ich kenne Bänker, die rauchen. Ich kenne Lehrer, die rauchen. Wenn es im Landkreis nur bei grünen Sachen bleiben würde, wäre alles schön und gut. Es sind aber so viele andere Substanzen im Umlauf und hier liegt das Hauptproblem. Gerade Kokain, Speed und Ketamin wird von 16- bis 30-Jährigen viel konsumiert. Vor allem Elektro- und Techno-Partys sind leider Synonyme für diese schwierigen Drogen.

Befürchtest du eine Konsum-Welle durch die Legalisierung?

Ich denke, es bleibt gleich. Es ist ja nicht so, dass auf einmal alle Leute kiffen wollen. Nein. Die Leute, die schon immer gerne geraucht haben, werden es weiter praktizieren. Es ist jetzt nur angenehmer geworden. Man kann sich einfach an den Fluss setzen und draußen, wie andere Leute ihr Bier trinken, schön bei Sonnenschein einen Joint rauchen. Ohne dass die Polizei von hinten auf die Schulter tippt und sagt: Entschuldigung, was haben sie denn da? Früher hat man sich ständig umgucken müssen.

Was liebst du am Kiffen?

Ich mag den Geschmack von Tabak und von Marihuana. Es schmeckt mir. Ich bin gerne Raucher. Bei mir ist es sehr mit meinem Kopf verbunden. Wenn ich ausgeglichen sein möchte, dann kann ich das sein, und mit Marihuana geht das eben ein bisschen besser.

Was magst du an Marihuana nicht?

Eigentlich nur, dass man sich immer Gedanken darüber machen muss, ob es in Ordnung ist, was man da raucht. Wenn es nur saubere Drogen gäbe, hätte man dieses Problem nicht. Im Landkreis Landsberg wurde zum Beispiel illegal Gras verkauft, worauf die Leute richtig schlecht reagiert haben. Es wurde mit HHC versetzt, das ist künstliches THC, damit es noch higher macht. Freunde von mir haben zwei Züge genommen und dann Herzklopfen bekommen. So etwas hasse ich am Kiffen. Dass man sich nicht drauf verlassen kann, dass das, was man raucht, in Ordnung ist und keine Probleme nach sich zieht.

Gehört Kiffen und Musik für dich zusammen?

Nein, Kunst und Drogen gehören nicht zusammen. Viele Künstler denken: oh mein Gott, ich bin so high, das muss ich in meiner Kunst offenbaren. Und flüchten sich dann in irgendwelche Parallelwelten. Ich rauche einfach gerne Gras – abends ist das voll schön. Das hat aber nicht wirklich Einfluss auf meine Persönlichkeit. Ich bleibe immer noch derselbe Felix und bin in beiden Zuständen gerne. Es ist einfach ein Genussmittel.

Informationen zu den Regelungen des seit 1. April beziehungsweise seit 1. Juli (für die „Anbauvereinigungen“) geltenden Gesetzes findet man auf den offiziellen Seiten der Bundes- bzw. der Bayerischen Landesregierung:

Auf der – von einem anonymen Software-Programmierer entwickelten und auf den Geodaten von OpenStreetMap basierenden – Bubatzkarte werden für ganz Deutschland all jene Stadtgebiete, in denen das öffentliche Kiffen problematisch werden könnte, rot markiert. In Landsberg dürfte man zum Beispiel im vorderen Bereich des Englischen Gartens ebenso wie im vorderen Bereich der St.Laurant-du-Var-Promenade kiffen. Selbstverständlich auch im Lech-Atelier, in Utting im Polizeibad und auf dem Steg am öffentlichen Bad des Campingplatzes. Das Strandbad Forster in Schondorf ist ebenfalls nicht rot markiert. Genauso wie die Gegend um den Seekiosk und den Dampfersteg in Dießen. Wer es genau wissen will, schaut hier:
www.bubatzkarte.de

Text & Foto: Sandy Kesner

V wie Vorsicht

Esther Schulte ist Kunsttherapeutin und arbeitet seit über sechs Jahren für MobiDIG. Das Suchtpräventionsprogramm des Landkreises Landsberg gibt es bereits seit 20 Jahren

Ein Team aus Sozialpädagog:innen, Ergotherapeut:innen, Erzieherinnen und anderen Professionen bietet altersspezifische Beratung für die Schulklassen 1 bis 10, für Berufsschulen sowie für Vereine. Jeweils zwei Berater:innen kommen – wenn sie angefragt werden – für vier Stunden in eine Klasse. Ganz wichtig, sagt Esther Schulte, ist eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit: Es sind keine Lehrkräfte anwesend und „was im Raum besprochen wird, bleibt im Raum.“

Suchtberatung schon in der ersten Klasse? Ist das nicht ein bisschen früh?

Ganz im Gegenteil! Das ist ein unfassbar wichtiges Thema. In den ersten beiden Klassen geht es allerdings noch nicht um konkrete Süchte, sondern vielmehr um Ressourcenstärkung. Es geht um Körperwahrnehmung und um die Entwicklung von Selbst-Bewusstsein. Darum, herauszufinden, was man mag und was nicht, was einem guttut und was nicht. Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass jeder okay ist, so wie er oder sie ist. Das sind ganz wichtige Eigenschaften, um später gestärkt möglichen Versuchungen gegenüberzutreten.
Erst ab der dritten Klasse geht es ganz allmählich und vorsichtig um die Auseinandersetzung mit Suchtverhalten zum Beispiel in Bezug auf den Medienkonsum. Wir klären generelle Fragen, wie: Was ist Sucht überhaupt, wie wird man süchtig und wie schütze ich mich.

Und wie wird man süchtig?

Da gibt es zum Beispiel ein neues Computerspiel, das ich ausprobieren will. Es macht Spaß und ich genieße die Ablenkung. Dann habe ich vielleicht einen schlechten Tag in der Schule, habe eine schlechte Note bekommen oder mich mit meinem Freund gestritten. Also denke ich mir, zocke ich mal eine Runde, um runterzukommen. Das Spiel wird jetzt zu einem bestimmen Zweck gebraucht. Das ist der erste Schritt. Der nächste ist dann schon der Missbrauch und die Sucht: Ich bekomme zu wenig Schlaf, ich vernachlässige meine Freunde und schon ist die rote Linie überschritten und es ist schwierig, alleine davon wieder loszukommen.

Wie schütze ich mich denn davor, süchtig zu werden?

In den unteren Klassen finden wir beispielsweise mithilfe von Spielen heraus, was alles Schlimmes im Leben passieren könnte. Dem stellen wir mögliche Ressourcen gegenüber: Eltern, Freunde, der eigene Hund. Wichtig ist zum Beispiel aber auch eine gute Klassengemeinschaft. Offenheit, Vertrauen und die Möglichkeit, nicht immer cool sein zu müssen, sich auch mal schwach zeigen zu dürfen. Den anderen akzeptieren, wie er oder sie ist, mit allen Eigenarten. Hinschauen, wenn es jemandem nicht gut geht. Das sind alles Fähigkeiten, die man erst lernen muss.

Letztendlich geht es um den Aufbau von starken sozialen Beziehungen, um gesunde Hobbys, darum gute Methoden im Umgang mit Stress und negativen Emotionen zu finden genauso wie darum Grenzen zu setzen und Nein-Sagen zu lernen. Und natürlich darum die Gefahren und Konsequenzen von Suchtmitteln zu kennen, also um altersgerechte Bildung. Denn alleine schon das Wissen um die Droge und ihre Konsequenzen bedeutet ein Stück Macht gegen die Sucht.

Was hälst du von der Cannabis Legalisierung?

Ein schwieriges Thema. Fest steht: die Gehirnentwicklung ist erst mit 25 Jahren abgeschlossen und die heutigen Cannabis-Produkte haben einen derart hohen THC-Gehalt, das ist wahnsinnig ungesund. Die Gefahr von Psychosen steigt mit dem THC-Gehalt und mit sinkendem Einstiegsalter.

MobiDIG ist eine Abkürzung für „Mobil – Drogen – Information – Gespräche“. Zunächst wurde das vor mehr als 20 Jahren initiierte Suchttpräventionsprogramm vom Jugendamt betreut, seit sieben Jahren ist das Gesundheitsamt im Landratsamt Landsberg zuständig. Für die Klassen 1 bis 10 gibt es ein jeweils altersgerecht zugeschnittenes Programm, das von jeder Schule angefragt werden kann. Es entstehen keine Kosten.

Mehr Informationen unter: www.soziales-gesundheit-landkreis-landsberg.de/suchtpraevention/mobidig

Text: Silke-Katinka Feltes | Foto: Privat

Weitere Beiträge

Coming of (st)age
Botox adé!