Feder | Pinsel | Geist

Die Zauberin

Auf dem Kaltenberger Mittelaltermarkt gibt es eine der seltenen Gelegenheiten die einzigartigen Taschen und Kostüme der Künstlerin Lova Rimini zu bestaunen. Lasst uns eintauchen in eine Welt des Flachs und des Leders. In eine zauberhafte, fantasievolle, spielerische und gleichzeitig ästhetische Atmosphäre, handwerklich eingefangen von einer ungewöhnlichen Frau.

Die Königin der Flachs-Stickerei residiert in einem zur Werkstatt-Atelier umfunktionierten Wohnraum in einer Siedlung im Landsberger Norden. Niemand würde hier eine Meisterin ihres Fachs vermuten. An der Klingel klebt nur ein kleines, selbstgeklebtes Zettelchen mit dem Aufdruck „Lova Rimini“.

Es öffnet eine schlanke, große, ältere Dame mit silbernen Haaren und freundlichen Augen, die Brille sitzt unten auf der Nasenspitze. Ein Hauch von Grandezza umweht sie, trotz Arbeitsschürze. Vielleicht liegt es daran, dass sie auch zum Arbeiten Lippenstift trägt. Oder doch an ihrer glamourösen Vergangenheit als Travestiekünstlerin in den 80er Jahren? Damals muss sie eine umwerfende Schönheit gewesen sein. Heute ist sie immer noch eine attraktive Grande Dame. Willkommen in der Welt der Lova Rimini.

Das Äußerliche, das Oberflächliche oder positiver formuliert, die Ästhetik, ist extrem wichtig in der Modewelt. Von Greta Garbo gibt es keine Bilder im Alter, sie wollte als schöner Engel in Erinnerung bleiben. Und auch Lova ziert sich, wenn es um aktuelle Fotos geht. Im Vordergrund soll ihre Stickkunst stehen, all diese sensationellen Taschen, Gürtel, Mieder, Haarreifen und Kostüme. Jedes einzelne Stück, das Ergebnis von stunden-, tage-, manchmal wochenlanger Arbeit.

Exkurs: Flachsstickerei

Flachs ist ein anderes Wort für Leinen. Lein wiederum ist eine alte Kulturpflanze, die zur Faser- und zur Ölgewinnung angebaut wird. Das reliefartige Sticken mit Flachs ist eine uralte, fast ausgestorbene Handwerkskunst. Früher wurden damit in adeligen und reichen bürgerlichen Kreisen Repräsentationsobjekte aufwendig verziert.

„Im Grunde sind es zwei historische Handwerksbereiche, die Rimini im Dekor ihrer Arbeiten fließend miteinander verbindet“, so schreibt die auf Schneiderei spezialisierte Autorin Rita Szeibert, „Im Mittelpunkt steht die Flachsstickerei, die von der Lederschnittplastik ergänzt wird.“ Alle Werke von Lova Rimini sind reine Handarbeit, vom ersten Entwurf, über die Formung und Bearbeitung des Leders, zur Stickerei, Verzierung und anschließenden Patinierung. Die ungewöhnliche, reliefartige Formgebung zeigen die einzigartige kunsthandwerkliche Handschrift. Eine Lova Rimini erkennt man sofort.

In den 70er Jahren in Berlin stand Lova mit der berühmten Travestiekünstlerin Zazie de Paris auf der Bühne. Zazie de Paris war es auch, die ihr den Künstlerinnennamen Lova Rimini gab. Eine glamouröse, eine wilde, eine auszehrende Zeit. Nach einer kurzen Zeit in München wurde ihr alles zu viel und sie zog für die nächsten 25 Jahre nach Asch, in die Gemeinde Fuchstal, wo sie ein altes Bauernhaus herrichtete.

Bereits in München fertigte sie ihren ersten exklusiven Gürtel. Schnell sprach sich herum, dass hier etwas Besonderes im Entstehen sei. Schon damals waren ihre Stücke eigenwillig und einzigartig. Dafür gab die Film- und Schickimickiwelt gerne mehr aus. „Dior oder Hermès konnte jede haben. Eine Rimini war ein Unikat.“ 1984 wurde sie nach Paris zu den Prêt-à-porter-Schauen eingeladen. Ihre Taschen und Gürtel wurden von Gaultier, Yamamoto und Thierry Mugler angefragt. „Wir wurden bemerkt,“ sagt Lova heute bescheiden dazu. „Sensationell“ habe der damalige Art Director der Vogue gesagt.

Ihre Handtaschen, ihre Kostüme, all ihre Werke scheinen wie aus einer anderen Welt. Irgendwo zwischen Carnevale di Venezia, Gothic Chic und Alice im Wunderland. Oder wie es der Landsberger Fotograf Peter Wilson zusammenfasst: „Rokoko trifft 1001 Nacht mit einem Hauch von 2001: A Space Odyssey“. Alles ist unglaublich fein gearbeitet, verspielt, verziert und mit einer Perfektion gefertigt, die ihresgleichen sucht.

Lova Rimini lebt zurückgezogen, „ich brauche Ruhe, Frieden und Harmonie“. Jahrelang war sie auf Fachmessen und mit einem kleinen Laden in Schloss Seefeld vertreten. Mittlerweile gibt es ihre Handwerkskunst nur noch auf dem Berliner Weihnachtsmarkt am Gendarmenplatz zu kaufen sowie auf dem Kaltenberger Ritterturnier einmal im Jahr im Juli.

In den 80er Jahren war Lova Rimini eine berühmte
Travestie-Künstlerin mit Auftritten und Shows in ganz Europa.
Leider gibt es aus dieser Zeit nur wenige Fotodokumente.
Beim Gespräch mit dem Bertl-Magazin kramte Lova dieses wunderschöne alte
Bild hervor und sagte: „Ich war damals extrem schüchtern.“ Man kann es kaum glauben.

Exkurs: Kaltenberger Ritterturnier

Das Kaltenberger Ritterturnier, von Luitpold Prinz von Bayern im Jahr 1980 ins Leben gerufen, ist eine mittelalterliche Ritter-Stunt-Show auf dem Gelände des Schlosses Kaltenberg. Vor und nach dem Ritterturnier wird rund um das Schloss ein Rahmenprogramm mit Walking-Acts, Musikern, Geschichtenerzählern, Jongleuren, Hofnarren und Hexen sowie allerlei mittelalterlichen Handwerken dargeboten.

Seit mehr als 30 Jahren ist Lova Rimini jedes Jahr mit einem großen Stand vertreten. Darüber hinaus entwirft und gestaltet sie viele der fantasievollen Kostüme für die Walking-Acts. Spektakulär beispielsweise ihre „Pest-Diva“, der „Herr der Finsternis“ oder das Zentaurenkostüm. Auch dieses Jahr wird es wieder einige extravagante Überraschungen geben.

Zuhause in ihrer Werkstatt sitzt Lova Rimini oft bis in die frühen Morgenstunden hinein und arbeitet. Leise läuft der Fernseher im Hintergrund. „Nachts habe ich Ruhe, da stört mich niemand.“ Unzählige Kästchen und Schublädchen bergen Perlen, Schnallen, Pailletten, Barbiepuppenköpfe, Edelsteine, Knöpfe und andere bunte Preziosen, die darauf warten verarbeitet zu werden.

Alles, wirklich alles, was durch Lova Riminis Hände geht, strahlt eine intensive Sinnlichkeit aus. Die Münchner Autorin und Schneidermeisterin Rita Szeibert sagt dazu: Lova Riminis Taschen werden „beinahe zu eigenständigen Wesen“.
Oder um es mit einem der unzähligen Bewunderer ihrer Handwerkskunst zu sagen: Lova zaubert!

Text: Silke-Katinka Feltes | Fotos: Peter Wilson
Feder | Pinsel | Geist

Die Zauberin

Auf dem Kaltenberger Mittelaltermarkt gibt es eine der seltenen Gelegenheiten die einzigartigen Taschen und Kostüme der Künstlerin Lova Rimini zu bestaunen. Lasst uns eintauchen in eine Welt des Flachs und des Leders. In eine zauberhafte, fantasievolle, spielerische und gleichzeitig ästhetische Atmosphäre, handwerklich eingefangen von einer ungewöhnlichen Frau.

Die Königin der Flachs-Stickerei residiert in einem zur Werkstatt-Atelier umfunktionierten Wohnraum in einer Siedlung im Landsberger Norden. Niemand würde hier eine Meisterin ihres Fachs vermuten. An der Klingel klebt nur ein kleines, selbstgeklebtes Zettelchen mit dem Aufdruck „Lova Rimini“.

Es öffnet eine schlanke, große, ältere Dame mit silbernen Haaren und freundlichen Augen, die Brille sitzt unten auf der Nasenspitze. Ein Hauch von Grandezza umweht sie, trotz Arbeitsschürze. Vielleicht liegt es daran, dass sie auch zum Arbeiten Lippenstift trägt. Oder doch an ihrer glamourösen Vergangenheit als Travestiekünstlerin in den 80er Jahren? Damals muss sie eine umwerfende Schönheit gewesen sein. Heute ist sie immer noch eine attraktive Grande Dame. Willkommen in der Welt der Lova Rimini.

Das Äußerliche, das Oberflächliche oder positiver formuliert, die Ästhetik, ist extrem wichtig in der Modewelt. Von Greta Garbo gibt es keine Bilder im Alter, sie wollte als schöner Engel in Erinnerung bleiben. Und auch Lova ziert sich, wenn es um aktuelle Fotos geht. Im Vordergrund soll ihre Stickkunst stehen, all diese sensationellen Taschen, Gürtel, Mieder, Haarreifen und Kostüme. Jedes einzelne Stück, das Ergebnis von stunden-, tage-, manchmal wochenlanger Arbeit.

Exkurs: Flachsstickerei

Flachs ist ein anderes Wort für Leinen. Lein wiederum ist eine alte Kulturpflanze, die zur Faser- und zur Ölgewinnung angebaut wird. Das reliefartige Sticken mit Flachs ist eine uralte, fast ausgestorbene Handwerkskunst. Früher wurden damit in adeligen und reichen bürgerlichen Kreisen Repräsentationsobjekte aufwendig verziert.

„Im Grunde sind es zwei historische Handwerksbereiche, die Rimini im Dekor ihrer Arbeiten fließend miteinander verbindet“, so schreibt die auf Schneiderei spezialisierte Autorin Rita Szeibert, „Im Mittelpunkt steht die Flachsstickerei, die von der Lederschnittplastik ergänzt wird.“ Alle Werke von Lova Rimini sind reine Handarbeit, vom ersten Entwurf, über die Formung und Bearbeitung des Leders, zur Stickerei, Verzierung und anschließenden Patinierung. Die ungewöhnliche, reliefartige Formgebung zeigen die einzigartige kunsthandwerkliche Handschrift. Eine Lova Rimini erkennt man sofort.

In den 70er Jahren in Berlin stand Lova mit der berühmten Travestiekünstlerin Zazie de Paris auf der Bühne. Zazie de Paris war es auch, die ihr den Künstlerinnennamen Lova Rimini gab. Eine glamouröse, eine wilde, eine auszehrende Zeit. Nach einer kurzen Zeit in München wurde ihr alles zu viel und sie zog für die nächsten 25 Jahre nach Asch, in die Gemeinde Fuchstal, wo sie ein altes Bauernhaus herrichtete.

Bereits in München fertigte sie ihren ersten exklusiven Gürtel. Schnell sprach sich herum, dass hier etwas Besonderes im Entstehen sei. Schon damals waren ihre Stücke eigenwillig und einzigartig. Dafür gab die Film- und Schickimickiwelt gerne mehr aus. „Dior oder Hermès konnte jede haben. Eine Rimini war ein Unikat.“ 1984 wurde sie nach Paris zu den Prêt-à-porter-Schauen eingeladen. Ihre Taschen und Gürtel wurden von Gaultier, Yamamoto und Thierry Mugler angefragt. „Wir wurden bemerkt,“ sagt Lova heute bescheiden dazu. „Sensationell“ habe der damalige Art Director der Vogue gesagt.

Ihre Handtaschen, ihre Kostüme, all ihre Werke scheinen wie aus einer anderen Welt. Irgendwo zwischen Carnevale di Venezia, Gothic Chic und Alice im Wunderland. Oder wie es der Landsberger Fotograf Peter Wilson zusammenfasst: „Rokoko trifft 1001 Nacht mit einem Hauch von 2001: A Space Odyssey“. Alles ist unglaublich fein gearbeitet, verspielt, verziert und mit einer Perfektion gefertigt, die ihresgleichen sucht.

Lova Rimini lebt zurückgezogen, „ich brauche Ruhe, Frieden und Harmonie“. Jahrelang war sie auf Fachmessen und mit einem kleinen Laden in Schloss Seefeld vertreten. Mittlerweile gibt es ihre Handwerkskunst nur noch auf dem Berliner Weihnachtsmarkt am Gendarmenplatz zu kaufen sowie auf dem Kaltenberger Ritterturnier einmal im Jahr im Juli.

In den 80er Jahren war Lova Rimini eine berühmte
Travestie-Künstlerin mit Auftritten und Shows in ganz Europa.
Leider gibt es aus dieser Zeit nur wenige Fotodokumente.
Beim Gespräch mit dem Bertl-Magazin kramte Lova dieses wunderschöne alte
Bild hervor und sagte: „Ich war damals extrem schüchtern.“ Man kann es kaum glauben.

Exkurs: Kaltenberger Ritterturnier

Das Kaltenberger Ritterturnier, von Luitpold Prinz von Bayern im Jahr 1980 ins Leben gerufen, ist eine mittelalterliche Ritter-Stunt-Show auf dem Gelände des Schlosses Kaltenberg. Vor und nach dem Ritterturnier wird rund um das Schloss ein Rahmenprogramm mit Walking-Acts, Musikern, Geschichtenerzählern, Jongleuren, Hofnarren und Hexen sowie allerlei mittelalterlichen Handwerken dargeboten.

Seit mehr als 30 Jahren ist Lova Rimini jedes Jahr mit einem großen Stand vertreten. Darüber hinaus entwirft und gestaltet sie viele der fantasievollen Kostüme für die Walking-Acts. Spektakulär beispielsweise ihre „Pest-Diva“, der „Herr der Finsternis“ oder das Zentaurenkostüm. Auch dieses Jahr wird es wieder einige extravagante Überraschungen geben.

Zuhause in ihrer Werkstatt sitzt Lova Rimini oft bis in die frühen Morgenstunden hinein und arbeitet. Leise läuft der Fernseher im Hintergrund. „Nachts habe ich Ruhe, da stört mich niemand.“ Unzählige Kästchen und Schublädchen bergen Perlen, Schnallen, Pailletten, Barbiepuppenköpfe, Edelsteine, Knöpfe und andere bunte Preziosen, die darauf warten verarbeitet zu werden.

Alles, wirklich alles, was durch Lova Riminis Hände geht, strahlt eine intensive Sinnlichkeit aus. Die Münchner Autorin und Schneidermeisterin Rita Szeibert sagt dazu: Lova Riminis Taschen werden „beinahe zu eigenständigen Wesen“.
Oder um es mit einem der unzähligen Bewunderer ihrer Handwerkskunst zu sagen: Lova zaubert!

Text: Silke-Katinka Feltes | Fotos: Peter Wilson

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