Stadt | Land | Fluss

Denken wie ein Fisch

Frühmorgens, wenn der Lech dampft und die Stadt noch schläft,
ist die beste Zeit, die Angel auszuwerfen. Von der Kunst des Fliegenfischens,
dem Jagdinstinkt und der richtigen Nymphe.

Manchmal steht da ein Mann mitten im Lech. Die graugrüne Gummihose reicht bis kurz unter die Brust. Das Wasser wirbelt die Lechkaskaden herunter und der Mann steht ganz ruhig da, starrt auf das Wasser und schwingt mit sanft fließenden Bewegungen eine Angel durch die Lüfte. Ein Fliegenfischer im Morgengrauen auf der Jagd nach einer Forelle. Oder einem Huchen.

Fliegenfischen, das ist die Königsdisziplin des Angelns. Das ist Naturverbundenheit pur, gepaart mit Technik und Jagdinstinkt. Das ist Robert Redford und Brad Pitt in „Aus der Mitte entspringt ein langer Fluss“. Das ist Thomas Reddig, 53, der in Landsberg lange nicht in den Fischereiverein kam und deshalb nach Slowenien und Österreich ausweichen musste, um seiner Leidenschaft nachzugehen.

Früh hat sie angefangen, die Leidenschaft, so mit sieben Jahren, als der Vater nach einer Beschäftigung suchte, um mit seinem Sohn Zeit zu verbringen, damals im eingeschlossenen Berlin der späten 70er Jahre. Thomas Reddig war sofort „angefixt“. Blinker aus Löffelstielen gebaut, Fachbücher gelesen, Teltowkanal und so. Und von Bayern geträumt. Von wilden Flüssen und hohen Bergen. „Ich bin ein Naturmensch“, sagt der Westberliner.

Wahnsinnig toll war das, um vier Uhr morgens mit dem Vater aufstehen, der Sonnenaufgang, das Vogelgezwitscher. Einfach Natur total. Und niemals wird Thomas Reddig diesen Geruch vergessen: Das erste Mal in einem Angelladen, lauter „sonore alte Männer mit Bärten“, diese „olfaktorische Explosion“, diese nicht mit Worten beschreibbare Mischung aus Vanille, Tabak und Schweiß. Und all das bunte Blinken und Glitzern der Köder. Da war es um den jungen Thomas geschehen.

Erst kam das Friedfisch-Angeln, dann die Raubfische („die sind nicht so schleimig und viel hübscher“).
Zwischendurch das Abi, der Fußball, die eigene Band und 2007 der Umzug nach Landsberg der Liebe wegen. Touren nach Norwegen, Meeresangeln, die Gründung eines eigenen Angelforums, eigene Ruten-Editionen. Der Zolloberamtsrat Thomas Reddig wird allmählich zum Angel-Nerd. 2008 tritt er in einen Angelverein ein. Doch das macht ihm keinen Spaß, tonnenweise Zuchtfische aus dem Weiher holen. „Doofe Zuchtforellen“ nennt Reddig sie, „die nur zur Bespaßung der Mitglieder aussetzt worden sind. Forellenpuff.“ Also belegt er bei Andi Pfirstinger in Bad Tölz an der Isar einen Fliegenfischen-Kurs. Und aus der Leidenschaft wird eine Sucht. „Plumpsangeln“, (so nennt Reddig die Angler, die
lediglich ein Bleigewicht mit Köder ins Wasser werfen und auf dem Campingstuhl nebenan ausharren), aktives Raubfischangeln, „Streetfishing“ (mitten in der Großstadt), alles hat er gemacht. Aber Fliegenfischen in klarem Gewässer, in Gebirgsflüssen, das ist die Krönung.

Fliegenfischen ist Meditation, sagt der Vater von vier Kindern. Das ist ein Jagderlebnis. Ein sehr visueller Sport, bei dem man versuche, wie ein Fisch zu denken. Moment mal, wie ein Fisch denken, wie soll das denn gehen? Also, sagt Thomas Reddig, man beobachtet eine Forelle, sieht vielleicht zuerst die Ringe an der Wasseroberfläche, das heißt sie „steigt auf“. Oder sie steht fast still unter Wasser und bewegt sich nach rechts oder links, das heißt sie „nympht“, sie ist auf der Suche nach Larven. Da hinten ist eine ruhige Stelle, dort Strömung, dort wird sie wahrscheinlich dieses oder jenes machen und dementsprechend wählt der Angler seinen Köder. Echte Jagd.

Man imitiert beim Fliegenfischen die natürliche Beute der Fische. Die rhythmischen Bewegungen der Rute sind dazu da, die „Fliege“ auf Weite zu bringen.
Je nachdem, wie der Fisch sich im Fluss verhält, entscheidet sich der Angler für eine von vier Köderarten: Das kleinste, das Nymphchen, ist ähnlich einer Larve; die Trockenfliege bleibt auf dem Oberflächenfilm des Wassers kleben; der „Streamer“ imitiert kleine Fischchen und die Nassfliege sinkt unter die Wasseroberfläche.

Überhaupt die Köder! Kleine Kunstwerke sind das, die Thomas Reddig selbst baut. Eine Zeitlang hat er sie
für eine schwedische Firma angefertigt. Doch Reddig braucht Freiheit, er will die Dinge aus Freude machen und nicht Geld damit verdienen. Immerhin ist sein Company-Name aus diesen Tagen geblieben: Fly Fidelity. Mit einem Netzwerk aus rund 3.000 Fliegenfischern weltweit ist Thomas Reddig auf Instagram und Facebook verbunden.

Für das Fotoshooting mit dem Bertl-Magazin ist Thomas Reddig seit 15 Jahren das erst Mal wieder im Lech fliegenfischen. Ein Freund hat ihn mit einer Gastkarte eingeladen. Es dauert keine 15 Minuten, da ist ihm das Jagdglück hold. Und eine Woche später meldet sich der Fischereiverein Landsberg: Reddig steht jetzt auf Platz eins der Warteliste.

Eine Auswahl an Fischereivereinen im Landkreis

• Die Lechfischer e.V. (Fuchstal)
• Der Bezirksfischereiverein Landsberg am Lech
• Die Fischergilde Barbara e. V. (Landsberger Seen und Weiher)
• Fischereiverein Petri Heil Kaufering
• Fischereiverein Penzing
• Anglerbund Bavaria e.V. (München, u.a. Amper und Lechstaustufe 21)
• Fischereiverein Geltendorf e.V.
• Lechfreunde e.V. (Apfeldorf)

Im Bezirksfischereiverein Landsberg kostet die Aufnahme beispielsweise 360 €, die Jahreskarte 240 € und der Jahresbeitrag 40 €. Es gibt aktuell 304 Mitglieder und die Warteliste ist lang.

Kleine Schmuckstücke

Das Fliegenbinden ist das künstliche Nachbilden von Fischnährtieren, wie Insekten, Krebsen, kleineren Fischen mit Hilfe von künstlichen und natürlichen Materialien.
Dabei werden mit einem Garn Tierhaare oder unterschiedliche Federn um einen Angelhaken gewickelt. Dem Fliegenfischer, der sich intensiv mit seiner Passion beschäftigt, reichen gekaufte Fliegen meist nicht aus. Dafür sind die Anforderungen beim Fischen zu spezifisch. Das Fliegenbinden ist ein
eigenständiges und zeitaufwendiges Hobby.

Der Kodex

Es gibt einen Fliegenfischer-Kodex, eine Art inoffizielle Etikette, die sich leider – so Thomas Reddig – mit dem bayerischen Fischerei-Gesetz beißt. „Catch and release“, also den Fisch fangen (mit einem widerhakenlosen Köder) und wieder frei lassen. So ist es in Slowenien und Österreich vorgeschrieben, man will ja seinen Bestand nicht gefährden. In Bayern allerdings muss jeder „massige“ Fisch, also jeder Fisch, der das gesetzliche vorgeschriebene Mindestmaß erreicht hat, „abgeschlagen“, also getötet werden, weil es sonst mit dem Tierschutzgesetz kollidiert.

Der Fischfang wird nur dann nicht als tierschutzwidrig eingestuft, wenn ihm ein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes zugrunde liegt. Eben nur, wenn der Fang mit einer Hegemaßnahme oder einer anschließenden Verwertung verbunden ist. Deutschland steht mit dieser Rechtsauffassung nahezu allein da. In fast allen anderen Ländern der Welt wird Catch and Release eher positiv gesehen. Der Artenschutz steht dabei weit über dem Tierschutz.

Fliegenfischen ist ein teurer Sport

Eine Rute kostet schnell an die 1.000 €. Dazu kommt die Rolle (rund 350 €), die Schnüre in verschiedenen Querschnittverläufen (30 bis 40 €) und die Wat-Hose (da kostet eine sehr gute zwischen 500 und 900 €). Dazu kommen die Gebühren für eine Tageskarte (je nach Revier) von 25 bis 100 €.

Der Lech

Der Lech war in früheren Zeiten aus Fischersicht eine „Äschenregion“, also ein sauerstoffreicher, schnellfließender, kühler Alpenfluss. Durch Staustufen und andere menschliche Eingriffe sowie aufgrund des Klimawandels ist er zur „Barbenregion“ geworden mit schwankendem Sauerstoffgehalt und geringer Fließgeschwindigkeit.

Text: Silke-Katinka Feltes | Foto: Bertl-Magazin
Stadt | Land | Fluss

Denken wie ein Fisch

Frühmorgens, wenn der Lech dampft und die Stadt noch schläft,
ist die beste Zeit, die Angel auszuwerfen. Von der Kunst des Fliegenfischens,
dem Jagdinstinkt und der richtigen Nymphe.

Manchmal steht da ein Mann mitten im Lech. Die graugrüne Gummihose reicht bis kurz unter die Brust. Das Wasser wirbelt die Lechkaskaden herunter und der Mann steht ganz ruhig da, starrt auf das Wasser und schwingt mit sanft fließenden Bewegungen eine Angel durch die Lüfte. Ein Fliegenfischer im Morgengrauen auf der Jagd nach einer Forelle. Oder einem Huchen.

Fliegenfischen, das ist die Königsdisziplin des Angelns. Das ist Naturverbundenheit pur, gepaart mit Technik und Jagdinstinkt. Das ist Robert Redford und Brad Pitt in „Aus der Mitte entspringt ein langer Fluss“. Das ist Thomas Reddig, 53, der in Landsberg lange nicht in den Fischereiverein kam und deshalb nach Slowenien und Österreich ausweichen musste, um seiner Leidenschaft nachzugehen.

Früh hat sie angefangen, die Leidenschaft, so mit sieben Jahren, als der Vater nach einer Beschäftigung suchte, um mit seinem Sohn Zeit zu verbringen, damals im eingeschlossenen Berlin der späten 70er Jahre. Thomas Reddig war sofort „angefixt“. Blinker aus Löffelstielen gebaut, Fachbücher gelesen, Teltowkanal und so. Und von Bayern geträumt. Von wilden Flüssen und hohen Bergen. „Ich bin ein Naturmensch“, sagt der Westberliner.

Wahnsinnig toll war das, um vier Uhr morgens mit dem Vater aufstehen, der Sonnenaufgang, das Vogelgezwitscher. Einfach Natur total. Und niemals wird Thomas Reddig diesen Geruch vergessen: Das erste Mal in einem Angelladen, lauter „sonore alte Männer mit Bärten“, diese „olfaktorische Explosion“, diese nicht mit Worten beschreibbare Mischung aus Vanille, Tabak und Schweiß. Und all das bunte Blinken und Glitzern der Köder. Da war es um den jungen Thomas geschehen.

Erst kam das Friedfisch-Angeln, dann die Raubfische („die sind nicht so schleimig und viel hübscher“).
Zwischendurch das Abi, der Fußball, die eigene Band und 2007 der Umzug nach Landsberg der Liebe wegen. Touren nach Norwegen, Meeresangeln, die Gründung eines eigenen Angelforums, eigene Ruten-Editionen. Der Zolloberamtsrat Thomas Reddig wird allmählich zum Angel-Nerd. 2008 tritt er in einen Angelverein ein. Doch das macht ihm keinen Spaß, tonnenweise Zuchtfische aus dem Weiher holen. „Doofe Zuchtforellen“ nennt Reddig sie, „die nur zur Bespaßung der Mitglieder aussetzt worden sind. Forellenpuff.“ Also belegt er bei Andi Pfirstinger in Bad Tölz an der Isar einen Fliegenfischen-Kurs. Und aus der Leidenschaft wird eine Sucht. „Plumpsangeln“, (so nennt Reddig die Angler, die
lediglich ein Bleigewicht mit Köder ins Wasser werfen und auf dem Campingstuhl nebenan ausharren), aktives Raubfischangeln, „Streetfishing“ (mitten in der Großstadt), alles hat er gemacht. Aber Fliegenfischen in klarem Gewässer, in Gebirgsflüssen, das ist die Krönung.

Fliegenfischen ist Meditation, sagt der Vater von vier Kindern. Das ist ein Jagderlebnis. Ein sehr visueller Sport, bei dem man versuche, wie ein Fisch zu denken. Moment mal, wie ein Fisch denken, wie soll das denn gehen? Also, sagt Thomas Reddig, man beobachtet eine Forelle, sieht vielleicht zuerst die Ringe an der Wasseroberfläche, das heißt sie „steigt auf“. Oder sie steht fast still unter Wasser und bewegt sich nach rechts oder links, das heißt sie „nympht“, sie ist auf der Suche nach Larven. Da hinten ist eine ruhige Stelle, dort Strömung, dort wird sie wahrscheinlich dieses oder jenes machen und dementsprechend wählt der Angler seinen Köder. Echte Jagd.

Man imitiert beim Fliegenfischen die natürliche Beute der Fische. Die rhythmischen Bewegungen der Rute sind dazu da, die „Fliege“ auf Weite zu bringen.
Je nachdem, wie der Fisch sich im Fluss verhält, entscheidet sich der Angler für eine von vier Köderarten: Das kleinste, das Nymphchen, ist ähnlich einer Larve; die Trockenfliege bleibt auf dem Oberflächenfilm des Wassers kleben; der „Streamer“ imitiert kleine Fischchen und die Nassfliege sinkt unter die Wasseroberfläche.

Überhaupt die Köder! Kleine Kunstwerke sind das, die Thomas Reddig selbst baut. Eine Zeitlang hat er sie
für eine schwedische Firma angefertigt. Doch Reddig braucht Freiheit, er will die Dinge aus Freude machen und nicht Geld damit verdienen. Immerhin ist sein Company-Name aus diesen Tagen geblieben: Fly Fidelity. Mit einem Netzwerk aus rund 3.000 Fliegenfischern weltweit ist Thomas Reddig auf Instagram und Facebook verbunden.

Für das Fotoshooting mit dem Bertl-Magazin ist Thomas Reddig seit 15 Jahren das erst Mal wieder im Lech fliegenfischen. Ein Freund hat ihn mit einer Gastkarte eingeladen. Es dauert keine 15 Minuten, da ist ihm das Jagdglück hold. Und eine Woche später meldet sich der Fischereiverein Landsberg: Reddig steht jetzt auf Platz eins der Warteliste.

Eine Auswahl an Fischereivereinen im Landkreis

• Die Lechfischer e.V. (Fuchstal)
• Der Bezirksfischereiverein Landsberg am Lech
• Die Fischergilde Barbara e. V. (Landsberger Seen und Weiher)
• Fischereiverein Petri Heil Kaufering
• Fischereiverein Penzing
• Anglerbund Bavaria e.V. (München, u.a. Amper und Lechstaustufe 21)
• Fischereiverein Geltendorf e.V.
• Lechfreunde e.V. (Apfeldorf)

Im Bezirksfischereiverein Landsberg kostet die Aufnahme beispielsweise 360 €, die Jahreskarte 240 € und der Jahresbeitrag 40 €. Es gibt aktuell 304 Mitglieder und die Warteliste ist lang.

Kleine Schmuckstücke

Das Fliegenbinden ist das künstliche Nachbilden von Fischnährtieren, wie Insekten, Krebsen, kleineren Fischen mit Hilfe von künstlichen und natürlichen Materialien.
Dabei werden mit einem Garn Tierhaare oder unterschiedliche Federn um einen Angelhaken gewickelt. Dem Fliegenfischer, der sich intensiv mit seiner Passion beschäftigt, reichen gekaufte Fliegen meist nicht aus. Dafür sind die Anforderungen beim Fischen zu spezifisch. Das Fliegenbinden ist ein
eigenständiges und zeitaufwendiges Hobby.

Der Kodex

Es gibt einen Fliegenfischer-Kodex, eine Art inoffizielle Etikette, die sich leider – so Thomas Reddig – mit dem bayerischen Fischerei-Gesetz beißt. „Catch and release“, also den Fisch fangen (mit einem widerhakenlosen Köder) und wieder frei lassen. So ist es in Slowenien und Österreich vorgeschrieben, man will ja seinen Bestand nicht gefährden. In Bayern allerdings muss jeder „massige“ Fisch, also jeder Fisch, der das gesetzliche vorgeschriebene Mindestmaß erreicht hat, „abgeschlagen“, also getötet werden, weil es sonst mit dem Tierschutzgesetz kollidiert.

Der Fischfang wird nur dann nicht als tierschutzwidrig eingestuft, wenn ihm ein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes zugrunde liegt. Eben nur, wenn der Fang mit einer Hegemaßnahme oder einer anschließenden Verwertung verbunden ist. Deutschland steht mit dieser Rechtsauffassung nahezu allein da. In fast allen anderen Ländern der Welt wird Catch and Release eher positiv gesehen. Der Artenschutz steht dabei weit über dem Tierschutz.

Fliegenfischen ist ein teurer Sport

Eine Rute kostet schnell an die 1.000 €. Dazu kommt die Rolle (rund 350 €), die Schnüre in verschiedenen Querschnittverläufen (30 bis 40 €) und die Wat-Hose (da kostet eine sehr gute zwischen 500 und 900 €). Dazu kommen die Gebühren für eine Tageskarte (je nach Revier) von 25 bis 100 €.

Der Lech

Der Lech war in früheren Zeiten aus Fischersicht eine „Äschenregion“, also ein sauerstoffreicher, schnellfließender, kühler Alpenfluss. Durch Staustufen und andere menschliche Eingriffe sowie aufgrund des Klimawandels ist er zur „Barbenregion“ geworden mit schwankendem Sauerstoffgehalt und geringer Fließgeschwindigkeit.

Text: Silke-Katinka Feltes | Foto: Bertl-Magazin

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