Ein Keller in Kaufering. Ein Keller wie viele andere, mit liebevoll eingerichtetem Bierstüberl inklusive Bartresen und allerlei Tand. Das Besondere an diesem Keller steht direkt neben der Eingangstür: Eine Musikbox aus dem Jahr 1964, Marke Seeburg. Ein Musikschatz aus einer anderen Zeit. In einer Welt digitaler Streamingdienste scheint es fast unvorstellbar, dass es einst Musikboxen wie diese waren, die Menschen mit Musik verzauberten.
„Anfang der 90er habe ich sie in Karlsruhe gekauft, komplett heruntergekommen und für gerade mal 500 Mark“, sagt Roland Gutwillinger. Die Restaurierung war mühevoll und langwierig. Der pensionierte Schlossermeister ist für spezielle Ersatzteile sogar bis nach Bremen gefahren. So manches Mal hätte er am liebsten alles in die Ecke gepfeffert. Was bei einem Gewicht von 178 Kilogramm natürlich nicht so einfach wäre. Außerdem hat ihn seine Musikleidenschaft immer weiter vorangetrieben.
Musik war schon immer und ist noch heute die große Leidenschaft von Roland Gutwillinger. Als Teenager hat er als Gitarrist in zwei Bands gespielt, als junger Erwachsener fuhr er mit dem Motorrad auf die Konzerte von Deep Purple oder Led Zeppelin. Im Jahr 1967 kaufte sich der 14-jährige seine erste Single, er erinnert sich genau, „Softly, softly“ von The Equals. Bis heute sind exakt 4.420 Schallplatten hinzugekommen, die ordentlich kategorisiert und nummeriert die Schränke seines Wohnzimmers dominieren.
Gelegentlich geht er auch heute noch auf Flohmärkte oder recherchiert auf eBay – immer auf der Suche nach neuen Schätzen. Dabei ist ihm das Genre egal, er hört von Klassik bis Rock und von Heavy Metal bis Pop. Nur mit Hip-Hop kann er wenig anfangen: „Das ist eher was für die jüngeren Leute!“
In seine Seeburg kann Gutwillinger bis zu 80 Schallplatten à 7-Zoll einlegen. Per Knopfdruck wählt er den gewünschten Song, die Musikbox erledigt den Rest. Regelmäßig lädt der 70-Jährige Freunde, Bekannte und Nachbarn in sein Bierstüberl ein: „Einmal im Jahr veranstalten wir zusätzlich eine Rocknacht und spielen den ganzen Abend nur absolute Rockklassiker.“
Musikboxen wie die Seeburg 64 sind heutzutage eine Rarität. Im Internet werden sie zu Preisen im höheren vierstelligen Euro-Bereich gehandelt. Doch das interessiert den Tüftler nicht: „Meine Box ist absolut unverkäuflich. Die Stunden an Arbeit, die ich investiert habe, sind für mich unbezahlbar.“
Inzwischen thront sein eigener Schriftzug auf der Box und der Sound der inzwischen fast 60 Jahre alten Anlage ist einwandfrei. Kein Knirschen, kein Knacken. „Aber die Reparatur endet nie. Gut möglich, dass morgen wieder irgendwas nicht funktioniert“, sagt Roland Gutwillinger. Die Restaurierung seiner Musikbox ist für ihn ein kleines Lebenswerk.